Im Wechsel
Die Wechseljahre sind keine Krankheit, sondern ein natürlicher Prozess aufgrund von Hormonumstellungen. Die Medikalisierung trägt zur gesellschaftlichen Abwertung der Betroffenen während und nach der Menopause bei und erhöht so deren Leidensdruck. Von Gabi Horak
Als Wechseljahre wird jener Abschnitt bezeichnet, in dem sich der Hormonhaushalt eines Körpers mit Gebärmutter und Eierstöcken umstellt: Bereits ab etwa dem vierzigsten Lebensjahr produzieren die Eierstöcke nach und nach weniger Hormone. Die Produktion von Östrogenen, Androgenen und Progesteron nimmt ab, der Hormonspiegel kommt ins Schwanken. Die körperlichen Auswirkungen spüren manche mehr und manche weniger stark. Tritt nach der letzten Regelblutung keine (ovariell ausgelöste) Blutung mehr auf, ist die Menopause eingetreten. In Deutschland und Österreich sind Frauen durchschnittlich Anfang fünfzig bei ihrer Menopause. Junge Frauen können etwa nach einer Chemotherapie in den „vorzeitigen“ Wechsel kommen.
Alt in der Lebensmitte
Die größte Auswirkung der Menopause ist die Unfruchtbarkeit. Das mache „alte Frauen“ zu geschlechtslosen Wesen, zu minderwertigen Frauen, wie es Simone de Beauvoir herausgearbeitet hatte. Dabei fallen die Wechseljahre statistisch zunehmend in die Lebensmitte der Frauen. Entsprechende positive Repräsentanz finden Frauen nach den Wechseljahren aber nicht. Zunächst sind sie die Wesen mit Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und schwindender Libido – und danach unsichtbar. Dabei wäre dem Leben ohne Monatsblutung sehr viel Positives abzugewinnen: Endlich keine Angst mehr haben vor ungewollter Schwangerschaft, neue Formen der Sexualität ausprobieren. Unabhängiger sein von gesellschaftlichen Normen.
Wie Frauen die Menopause erleben, hängt stark von ihren Lebensumständen ab. Die Ethnologin Christine Binder-Fritz hat in ihrer Forschung transkulturelle Perspektiven auf die Wechseljahre erarbeitet. Obwohl die Menopause ein normaler körperlicher Prozess sei, werde sie „in unserer Gesellschaft als behandlungswürdige Risiko-Konstellation klassifiziert“. Außerhalb der „modernen westlichen Welt“ hätten Frauen „im dritten Lebensabschnitt“ oft höheren Status und mehr gesellschaftlichen Einfluss, hat Binder-Fritz in ihren ethnologischen Studien beobachtet. In manchen Kulturen gilt die Periode weiterhin als „unrein“ – das hat nach der Menopause ein Ende und „alte Frauen“ gewinnen mehr Freiheiten.
Mitunter ist der höhere Status aber auch mit Verlusten verbunden. So sind mancherorts sexuelle Kontakte für Frauen nach der Menopause verpönt. Binder-Fritz warnt vor „ldealisierungstendenzen“, aber der Blick auf den unterschiedlichen Umgang zeige klar, dass die „Selbsterfahrung des Körpers maßgeblich von der sozialen und kulturellen Umgebung abhängig ist“.
Therapie-Trends
Frauen in den Wechseljahren werden häufig als Krankheitsfälle wahrgenommen, deren Beschwerden durch Medizin zu lindern seien. In den 196oer-Jahren boomte die Hormonersatz-Therapie, bis Studien vor erhöhtem Brustkrebsrisiko und Herzinfarkten warnten. Mittlerweile haben sich die Therapieformen verändert und „individualisiert“, neue Studien relativieren die Gefahren. Der jüngste Therapie-Trend heißt „Window Of Opportunity“: Die Hormone sollten früh und nur für einen kurzen Zeitraum verabreicht werden. Dann sei der Benefit – etwa auch geringeres Osteoporose-Risiko – höher als das Brustkrebsrisiko.
Im Übrigen kennt auch die Naturheilkunde viele Präparate zur Linderung von Beschwerden in den Wechseljahren, die Wirkung ist jedoch nicht wissenschaftlich belegt und basiert auf individuellen Erfahrungen und Traditionen. Am bekanntesten sind die Traubensilberkerze mit östrogenartigen Wirkstoffen und der Mönchspfeffer. Weniger bekannt ist die Yamswurzel, die in vielen Gegenden der Welt schon lange zur Zyklusregulierung eingesetzt wird, weil sie eine Vorstufe des Hormons Progesteron beinhaltet – und dieses fehlt ganz zu Beginn der Hormonumstellung besonders.
Monika Vucsak vom Frauengesundheitszentrum Graz sagt im an.schläge-lnterview: „Beschwerden in den Wechseljahren sind bei vielen Frauen nicht so stark, dass sie behandelt werden müssen.“ Wenn sich Frauen für die Einnahme von Hormonen entscheiden, „sollten diese so kurz wie möglich genommen und möglichst niedrig dosiert werden“. Der Trend der „individualisierten Medizin“ sei oft auch nichts anderes als eine Marketingaktion, so Vucsak.
Dieser Text erschien zuerst in an.schläge VII/2020.