HPV: Kostenlose Impfung, fehlende Aufklärung
Gebärmutterhalskrebs könnte mithilfe einer Impfung bald Geschichte sein. Jasmin Kassai über den globalen Kampf gegen Humane Papillomaviren.
Die HPV-Impfung gibt es in Österreich seit Februar endlich kostenlos – zumindest für alle Personen zwischen neun und 21 Jahren. Zuvor erhielten ab 2006 nur Kinder und Jugendliche bis elf Jahre die Impfung auf Kasse, für die privat 646,50 Euro – Impfgebühren nicht eingerechnet – berappt werden müssen. Menschen mit geringen finanziellen Mitteln blieben also bisher von der Impfung ausgeschlossen. Aber warum ist es überhaupt so wichtig, sich gegen HPV impfen zu lassen?
HPV ist die Abkürzung für Humane Papillomaviren – eine große Virusgruppe, die beim Menschen oberflächliche Haut- und Schleimhautzellen infizieren und bei diesen ein tumorartiges Wachstum verursachen kann. In vielen Fällen sind diese Tumoren gutartig, es entstehen an den betroffenen Stellen – vorwiegend im Genital- oder Analbereich – Feigwarzen. Von den ca. 200 vorhandenen HP-Virus-Typen haben jedoch mindestens 14 eine krebserregende Wirkung und können somit Krebsvorstufen und Krebs verursachen. Bei Frauen ist laut Deutschem Robert-Koch-Institut eine Infektion mit Humanen Papillomaviren die häufigste Ursache für die Entstehung eines Zervixkarzinoms (Gebärmutterhalskrebs), die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache bei Menschen mit Gebärmutter weltweit. Sie kann aber auch zur Entstehung anderer Krebsarten wie Scheiden-, Vulva-, und Analkarzinomen beitragen. Auch im Mund- und Rachenbereich, beispielsweise bei einer Übertragung durch Oralverkehr, kann HPV zu Krebs führen.
Tabuisierung
Kim(1) war von einer Krebsvorstufe am Gebärmutterhals betroffen. „Als ich in der Schule war und die Impfung aufkam, waren sich Gynäkolog*innen noch uneins, ob und ab welchem Alter sie die Impfung empfehlen, ich habe sie jedenfalls als Jugendliche nicht bekommen“, erzählt sie im an.schläge-Gespräch. „Später hat mich nie eine Gynäkolog*in darauf angesprochen und auch in meinem Umfeld war das nie Thema“, sagt Kim. Sie glaubt, dass das auch damit zusammenhängt, wie in Österreich mit sexuell übertragbaren Krankheiten umgegangen wird: „Generell wird das viel zu wenig thematisiert und es gibt vor allem zu wenig Möglichkeiten, sich unkompliziert darauf testen zu lassen. In Großbritannien z.B. ist das niederschwelliger, dort gibt es gratis Testzentren. Dadurch tauscht man sich viel selbstverständlicher darüber aus und auch Prävention ist sichtbarer.“ Tatsächlich werden in Österreich Kosten für einen HPV-Test nur bei einem auffälligen Krebsabstrich von der Krankenkassa gezahlt. Ein HPV-Test, der zur Vorsorge durchgeführt wird, muss von der Patientin* selbst beglichen werden und kostet um die fünfzig Euro.
„Als ich mit 31 die Diagnose bekommen habe, wusste ich wenig über HPV und habe mich eingelesen. Die Zahlen, wie viele Frauen im globalen Süden, aber auch in Österreich an HPV-induziertem Krebs erkranken, haben mich schockiert.“ Dass die Impfung nicht flächendeckend gratis zur Verfügung steht, hat Kim wütend gemacht. Im Krankenhaus wurde ihr schließlich empfohlen, sich impfen zu lassen, da die Impfung die Wahrscheinlichkeit nochmal zu erkranken stark senkt. „Trotz der Diagnose musste ich damals 600 Euro dafür zahlen“, kritisiert sie.
Eine spezifische Therapie für Humane Papillomaviren existiert nicht. Bei höhergradigen Zellveränderungen kommen in der Regel nur chirurgische Eingriffe zur Anwendung. In Österreich müssen jährlich bei ca. 6.000 jungen Frauen Konisationen (kegelförmiges Ausschneiden einer betroffenen Region des Gebärmutterhalses) vorgenommen werden. Wichtig hierbei ist das routinemäßig vorgesehene jährliche Vorsorgeprogramm, wo mittels Abstrich Zellveränderungen am Gebärmutterhals frühzeitig erkannt und behandelt werden können.
Kondome schützen nicht vollständig
Die Übertragung von HP-Viren erfolgt in erster Linie über engen Hautkontakt. Der häufigste Übertragungsweg ist der Geschlechtsverkehr. Etwa achtzig Prozent aller sexuell aktiven Menschen infizieren sich einmal im Leben mit genitalen HP-Viren. Somit ist die HPV-Infektion eine der häufigsten sexuell übertragenen Krankheiten. Kondome können eine Übertragungswahrscheinlichkeit zwar minimieren, bieten aber keinen vollständigen Schutz davor. Ist einmal eine Infektion mit HPV passiert, verläuft diese in der Regel asymptomatisch. Sie heilt danach zumeist innerhalb von vier bis 24 Monaten von allein ab und ist dann nicht mehr nachweisbar. Eine durchgemachte Infektion bietet allerdings aufgrund der unterschiedlichen Virustypen keinen Schutz vor erneuter Ansteckung. In manchen Fällen kann die Infektion auch noch viele Jahre bis Jahrzehnte andauern und in weiterer Folge zu Krebsvorstufen und Krebs führen.
Schutz durch Impfung
Die wohl sicherste Maßnahme gegen eine HPV-Infektion ist die präventive Schutzimpfung. Diese schützt nahezu zu hundert Prozent vor einer Infektion mit den in den Impfstoffen enthaltenen HP-Virustypen.
Grundsätzlich ist die Impfung allen Geschlechtern empfohlen, da auch Männer wichtige Überträger sind bzw. selbst erkranken. In den letzten Jahren steigt die Anzahl der HPV-bedingten Krebsarten bei Männern. Eine Infektion mit den Viren ist in rund fünfzig Prozent der Fälle ursächlich für die Entstehung von Peniskarzinomen.
Ziel ist es, durch eine Erhöhung der Durchimpfungsrate nicht nur die bestehenden Infektionsketten zu durchbrechen, sondern auch eine Herdenimmunität zu erzielen.
Mit der Verabschiedung der neuen WHO-Strategie zur globalen Elimination von Gebärmutterhalskrebs im August 2020 wurden alle Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, die Anzahl an Neuerkrankungen pro Jahr unter vier pro 100.000 Einwohner zu minimieren, und zwar bis zum Jahr 2030 (in Österreich sind es aktuell 8/100.000). Dafür empfiehlt die WHO eine Durchimpfungsrate von neunzig Prozent aller Jugendlichen. Während England und Schottland dieses Zielt bereits erreicht hat, lag die Durchimpfungsrate in Österreich bei den 14-Jährigen im Jahr 2021 erst bei 53 Prozent.
Kostenfreies Impfprogramm
Mit der Erweiterung des kostenfreien Impfangebots in Österreich ist ein notwendiger Schritt getan. Tatsächlich wird sie in Österreich aber auch über das 21. Lebensjahr hinaus empfohlen, und zwar bis zum vollendeten 30. Lebensjahr, danach optional. Denn auch nach bereits erfolgter HPV-Infektion kann eine Impfung Schutz vor anderen im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen bieten. Grundsätzlich gilt aber: Je früher die Impfung nachgeholt wird, desto effizienter. Eine große britische Studie, die 2021 in der Fachzeitschrift Lancet publiziert wurde, zeigt, dass eine frühe HPV-Impfung die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs fast zur Gänze verhindern kann. Bei Mädchen, die zwischen 12 und 13 Jahren vollständig gegen HPV immunisiert wurden, traten bis zum Alter von 24 Jahren 87 Prozent weniger Krebsvorstufen am Gebärmutterhals auf als bei der ungeimpften Gruppe.
Die Ausrottung von Gebärmutterhalskrebs wäre also durch eine frühe und hohe Durchimpfungsrate in der allgemeinen Bevölkerung womöglich schon bald keine Utopie mehr. Dafür bräuchte es neben dem kostenfreien Zugang auch viel Aufklärungsarbeit.
Fußnote:
(1) Name geändert
Jasmin Kassai ist Ärztin in Ausbildung zur Kinder- und Jugendpsychiaterin und interessiert sich besonders für intersektionale Betrachtungsweisen in der Medizin.
Dieser Text erschien zuerst in an.schläge V/2023.