Wechseljahre sind politisch

Schlafstörungen, vaginale Trockenheit, Brain Fog: Die Psychotherapeutin und Wechseljahre-Expertin Martina Eberhart über fehlendes Wissen und Verständnis einer zentralen Lebensphase. Interview: Julia Breitkopf

Porträtfoto von Martina Eberhart. Sie hat kurze, graue, gelockte Haare, trägt eine schwarz-türkise Brille und ein weißes Oberteil und blickt in die Kamera.
Martina Eberhart, Foto: Antje Wolm

Inhalt in Einfacher Sprache

Das ist eine Zusammenfassung von einem Interview über die Wechseljahre. Julia Breitkopf hat mit der Psychotherapeutin Martina Eberhart gesprochen. Sie arbeitet viel zum Thema Wechseljahre.

Martina Eberhart sagt: Wir wissen zu wenig über die Wechseljahre. Auch viele Ärztinnen und Ärzte kennen sich nicht gut damit aus.

Jede Person erlebt die Wechseljahre anders. Ein Drittel hat keine Beschwerden. Ein weiteres Drittel hat leichte bis mittlere Probleme. Und ein Drittel leidet stark – körperlich und seelisch.

Die Beschwerden können sehr unterschiedlich sein. Zum Beispiel: Hitzewallungen, Schlafstörungen, vaginale Trockenheit, Erschöpfung, Ängste, Stimmungsschwankungen, Konzentrationsprobleme, Gelenkschmerzen oder „Brain Fog“. Das bedeutet: Man hat das Gefühl von Nebel im Gehirn und kann nicht klar denken.

Viele Klientinnen von Martina Eberhart haben in den Wechseljahren eine persönliche Krise. Zum Beispiel, weil die Kinder aus dem Haus sind. Oder weil sie im Beruf zu wenig Anerkennung bekommen – obwohl sie viel Erfahrung haben.
Im Beruf merken viele ihrer Klientinnen: Sie können nicht mehr so viel leisten wie früher. Aber das Verständnis von Kolleg*innen und Führungskräften fehlt. Martina Eberhart sagt: Die Wechseljahre zeigen, wie sehr unsere Gesellschaft auf Jugend und Leistung schaut. Dabei könnten einfache Dinge helfen: flexible Arbeitszeiten, Rückzugsräume, gute Luft oder Angebote zur Unterstützung.
Auch das Umfeld spielt eine große Rolle. Es macht einen Unterschied, ob jemand Hilfe bekommt – medizinisch und therapeutisch. Und ob offen über das Thema gesprochen werden kann.

Martina Eberhart wünscht sich: Führungskräfte sollen mehr über die Wechseljahre wissen. Und wir alle sollen offener damit umgehen. Schon das kann viel verändern.

Bettina Enzenhofer hat diese Zusammenfassung geschrieben. Hast du Fragen zum Text? Schreib an die Redaktion: be(at)ourbodies.at

Julia Breitkopf: Sie sagen, es sei wichtig, über die Wechseljahre informiert zu sein. Was genau sollten alle wissen?

Martina Eberhart: Es gibt bis heute erstaunlich wenig fundiertes Wissen über diese Lebensphase. Das hat strukturelle Gründe: Die Medizin war über Jahrhunderte auf den männlichen Körper fokussiert. Es wurde nicht geforscht, nicht gesprochen, nicht gefragt. Erst jetzt beginnt sich etwas zu verändern. Frauen fordern Sichtbarkeit ein. Es gibt jetzt mehr Studien, Initiativen in Unternehmen, mehr Berichte in den Medien. Das ist überfällig.

Julia Breitkopf: Was gehört zur typischen Symptomatik? Wie fühlt sich zum Beispiel eine Hitzewallung genau an – körperlich und emotional? Und welche Beschwerden werden oft übersehen oder fehlgedeutet?

Martina Eberhart: Typische Symptome sind Hitzewallungen, Schlafstörungen, Erschöpfung, depressive Verstimmungen, Konzentrationsprobleme, Ängste – aber auch ein Gefühl der inneren Entfremdung, des „Nicht-mehr-man-selbst-Seins“. Viele dieser Symptome werden nicht sofort mit den hormonellen Veränderungen in Verbindung gebracht. Das macht es für Betroffene umso schwerer. Eine Hitzewallung etwa fühlt sich an wie ein plötzliches Überhitzen von innen – oft begleitet von Herzrasen, Schweißausbruch, manchmal Panik. Es ist nicht einfach „nur heiß“, es kann körperlich wie seelisch überwältigend sein.

Was auch dazu gehören kann: Gelenkschmerzen und Muskelverspannungen, vaginale Trockenheit, „Brain Fog“ – das Gefühl, mental nicht mehr klar zu funktionieren, Reizbarkeit und Impulsivität, die auch im beruflichen Umfeld zur Belastung werden können, ohne dass klar ist, was die Ursache ist.

Julia Breitkopf: Wie unterschiedlich können die Wechseljahre verlaufen?

Martina Eberhart: Sehr unterschiedlich. Etwa ein Drittel der Frauen hat keine Symptome, ein weiteres Drittel erlebt leichte bis mittlere Beschwerden – und rund ein Drittel leidet massiv, sowohl körperlich als auch psychisch. Diese Zahlen sind medizinisch gut belegt, etwa durch die Meno-Support-Studien.

Julia Breitkopf: Was zeigt sich aus Ihrer Erfahrung als Psychotherapeutin: Wie individuell oder auch sozial geprägt ist das Erleben?

Martina Eberhart: Die Wechseljahre sind kein rein biologisches Ereignis. Sie sind ein psychosozialer Übergang, der stark davon beeinflusst wird, in welchem Körper, in welcher Lebensrealität eine Person lebt. Frauen, die bereits in jungen Jahren hohe Belastungen erfahren haben – etwa durch Gewalt, chronischen Stress oder emotionale Vernachlässigung – erleben die Wechseljahre oft intensiver, weil das Nervensystem durch die hormonellen Veränderungen besonders empfindlich reagiert. Ebenso entscheidend ist der soziale Rahmen: Habe ich Zugang zu medizinischer und therapeutischer Unterstützung? Kann ich offen mit Kolleg:innen oder Vorgesetzten sprechen, wenn es mir schlecht geht? Wird meine Veränderung als Schwäche gewertet – oder als natürlicher Prozess verstanden? 

Julia Breitkopf: Mit welchen Gefühlen oder Krisen kommen Ihre Klientinnen zu Ihnen? 

Martina Eberhart: Viele erleben eine Identitätskrise: Die Kinder sind aus dem Haus, der Körper verändert sich, alte Wunden brechen auf. Sie befinden sich in einem „Dazwischen“: nicht mehr Mutter im aktiven Sinne, aber noch nicht Großmutter; beruflich erfahren, aber oft ohne die gebührende Anerkennung. Oft kommen auch Themen aus der Kindheit oder aus früheren Beziehungen zurück. Ich arbeite mit vielen Frauen, die sich selbst nie wichtig nehmen durften – und in dieser Lebensphase zum ersten Mal spüren: „Ich will nicht mehr funktionieren. Jetzt bin ich dran!“ Diese Erkenntnis kann erschütternd sein – aber auch befreiend. 

Julia Breitkopf: Viele Frauen erzählen, dass sie im medizinischen System nicht ernst genommen werden. Wie erleben Sie das?

Martina Eberhart: Es bedeutet: Sie bleiben mit massiven Beschwerden allein. Das Gesundheitssystem und die Medizin sind historisch männlich dominiert. Was mit dem weiblichen Körper zu tun hat, gilt schnell als übertrieben oder psychosomatisch. Einige sagen dann selbst: „Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein.“ Noch immer sind viele Hausärzt:innen oder Gynäkolog:innen nicht ausreichend ausgebildet, um Wechseljahressymptome differenziert zu erkennen und zu behandeln. Therapeutische Begleitung wäre für viele Frauen wichtig – aber Therapieplätze sind knapp und nicht für alle leistbar.

Julia Breitkopf: Nicht nur cis Frauen erleben die Wechseljahre. Was verrät ein intersektionaler Blick?

Martina Eberhart: Er zeigt: Die Wechseljahre sind kein „Frauenthema“, sondern ein Menschenthema. Die Erfahrungen von trans Personen sind jedoch recht unsichtbar, deshalb ist auch mein Wissen begrenzt. Die meisten Studien beziehen sich ausschließlich auf cis Frauen, meist weiß und aus westlichen Ländern. 

Julia Breitkopf: Warum ist es politisch, über die Wechseljahre zu sprechen?

Martina Eberhart: Weil Schweigen strukturell wirkt. Wenn eine Lebensphase, die früher oder später die Hälfte der Bevölkerung betrifft, ausgeklammert wird, dann spiegelt das ein System wider, das weibliche Biografien nur bis zur Reproduktionsfähigkeit denkt. Die Wechseljahre zeigen, wie stark unser Wirtschaftssystem auf Jugend, Produktivität und Anpassung fokussiert ist.

Julia Breitkopf: Was erzählen Ihre Klientinnen über ihre Erfahrungen in der Arbeitswelt und was wünschen sie sich von ihren Arbeitgeber:innen? Was macht tatsächlich einen Unterschied?

Martina Eberhart: Viele fühlen sich ausgeliefert. Sie sagen: „Ich kann nicht mehr die Leistung bringen, die erwartet wird – und ich traue mich nicht, es zu sagen.“ Andere erzählen, dass ihre Kolleg:innen kein Verständnis haben. Sie wünschen sich einfache Dinge: flexible Arbeitszeiten, Rückzugsräume, Wertschätzung. Sie wünschen sich, in der Arbeitswelt auch als älterer Mensch mit Erfahrung anerkannt zu werden. Führungskräfte müssen wissen, was Wechseljahre bedeuten. Es braucht echtes Interesse und Empathie. Angepasste Arbeitszeiten, klimatisierte Räume, Zugang zu Coachings oder Gesundheitsangeboten können helfen. Und allein, wenn wir über die Wechseljahre offen sprechen können, verändert das schon viel. 

Martina Eberhart ist Psychotherapeutin und Coach. Das Tabu Wechseljahre ist ein Schwerpunkt ihrer Arbeit. www.martina-eberhart.at

Inhalt in Einfacher Sprache

Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit. Aenean commodo ligula eget dolor. Aenean massa. Cum sociis natoque penatibus et magnis dis parturient montes, nascetur ridiculus mus. Donec quam felis, ultricies nec, pellentesque eu, pretium quis, sem. Nulla consequat massa quis enim. Donec pede justo, fringilla vel, aliquet nec, vulputate eget, arcu. In enim justo, rhoncus ut, imperdiet a, venenatis vitae, justo. Nullam dictum felis eu pede mollis pretium. Integer tincidunt. Cras dapibu

Teilen:
Skip to content