Allein mit der Liebe zu meinem dicken Körper
Ich habe gelernt, meinen Körper so zu schätzen, wie er ist. Doch Wissenschaft und Medizin wollen mir das vermiesen. Von Katta Spiel
Während ich diesen Artikel hier schreibe, sitze ich im Wartezimmer meiner Internistin. Ich stähle meinen Körper für das bevorstehende Gespräch und weiß bereits jetzt, dass nichts von dem, was ich zu sagen habe, von Bedeutung sein wird. Meine Internistin wird ihren Ansatz nicht ändern: Wenn es einen Gesundheitszustand gibt, der über fetten Körpern wie meinem schwebt, dann ist es der, den ich mit ihr zu bewältigen versuche. Ich habe Typ 2 Diabetes.
Alles für den Gewichtsverlust
Es wird meiner Internistin egal sein, wenn ich ihr wieder und wieder erkläre, wie ein größerer Körper Diabetiker*innen besser vor einigen kardiovaskulären Risiken schützen kann und dass die Beziehung zwischen Gewicht und Diabetes vielschichtiger und komplexer ist, als oft dargestellt wird. Sie ist so besessen von meinem Gewicht, dass sie mich bei meinem letzten Besuch ständig für meine Gewichtsabnahme von drei Kilo lobte. Das waren die einzigen drei Kilo, die ich jemals abnehmen wollte; drei Wochen zuvor hatte ich meine Brustabnahme. Selbst als ich das klären konnte, bestand sie darauf, mich weiter zu beglückwünschen. So sehr ist ihr die Idee eines Gewichtsverlusts als unkritisches Positivum eingebläut.
Es spielte für sie keine Rolle, dass ich fast nicht operiert werden konnte, weil der erste beratende Arzt sagte, dass er bei meiner Größe keine Anästhesie für die Operation finden würde. Ich hatte die Zahlen und die Gegenargumente. Ich erklärte ihm, dass der Body-Mass-Index ein Maß für die Bevölkerung ist, das niemals dazu gedacht war, einzelne Personen zu kategorisieren, und dass er andere Indikatoren, wie meine Blutwerte, in Betracht ziehen sollte. Er schlug eine Magen-Bypass-Operation vor, einen viel invasiveren Eingriff, für den es offenbar kein Problem ist, Anästhesie zu finden, und den ich niemals für mich selbst wollen würde. Ich war so schockiert, dass ich die Klinik heulend verließ.
Eine gut geölte Maschine
Meiner Internistin wird es egal sein, dass ich meine frühere Körpergröße tatsächlich vermisse. Dass ich mich so sehr bemüht habe, meinen fetten Körper zu lieben, dass ich Angst davor habe, in den kommenden Jahren wieder in Bezug auf meine Gewichtsentwicklung bevormundet zu werden. Ich bin am Boden zerstört, wenn sie mich lobt; ihre Motivationsversuche erinnern mich nur an die Zeit, als ich eine Essstörung hatte, die zu langanhaltenden chronischen Erkrankungen führte. Eine Essstörung, bei der Ärzt*innen auf meine Bitte um Hilfe nur darauf hinwiesen, dass eine Gewichtsabnahme in meinem Fall ohnehin nur wünschenswert wäre. Ich habe tatsächlich Angst davor, Gewicht zu verlieren, weil ich weiß, dass ich immer nur einen Schritt von dem Drang entfernt bin, Dinge zu kontrollieren, die ich nicht kontrollieren kann und soll. Ich habe gelernt, mich selbst zu lieben, um meinem Körper nicht zu schaden, und möchte meiner Ärztin sagen, wie prekär und anstrengend sich diese Liebe manchmal anfühlt. Aber ich fühle mich zu verletzlich.
Es wird ihr egal sein, dass ich meine Medikamente nur deshalb so regelmäßig nehme, weil ich meinen fetten Körper liebe. Stattdessen rechne ich damit, dass sie mir erklärt, wie ich meinen Körper noch weiter optimieren kann, wie ich ihn noch ein bisschen mehr verändern und alle Unzulänglichkeiten ausbügeln kann, bis er eine gut geölte Maschine ist.
Glänzende Scheinobjekte
Meiner Internistin wird es egal sein, dass ich mit der Sprache der Optimierung vertraut bin. Ich arbeite in der technischen Forschung. Innovation, Optimierung, alles Mögliche. Die Technik liebt es, Dinge als Probleme zu deklarieren, ohne herauszufinden, ob diese Probleme tatsächlich von Belang sind und für wen. Als Problemlösung bauen Technolog*innen Artefakte, die nur kurz genutzt werden und Ressourcen und seltene Erden verschwenden: In einer frühen Studie über die Akzeptanz von Fitness-Trackern nutzten zwei Drittel der Teilnehmer*innen das Gerät kürzer als ein Jahr. Technolog*innen verkaufen glänzende Scheinobjekte. Sie befassen sich nicht mit der systemischen, weit verbreiteten und, offen gesagt, krankmachenden fettenfeindlichen Voreingenommenheit, die in unseren Interaktionen mit Menschen, Gebäuden und Systemen grassiert. Stattdessen preisen sie schnelle Lösungen an, die nie halten, was sie versprechen, weil unser Leben zu komplex ist, um es in kleinen Geräten mit wenig Flexibilität für Unterbrechungen und Unterschiede zu fassen. Sie sagen uns, dass wir uns jeden Tag bewegen sollen – unabhängig von unseren religiösen Praktiken oder dem Potenzial gesundheitlicher Störungen. Technolog*innen benutzen die Sprache der „Epidemie“, um fette Körper als unerwünscht darzustellen, ohne sich wirklich mit unseren Bedürfnissen, Wünschen nach einer fairen Behandlung oder einfach mit unserer Sehnsucht nach Freude auseinanderzusetzen. Einmal in meiner Laufbahn habe ich auf einer Konferenz einen ganzen Saal dazu gebracht, „Körpergröße hat nichts mit Fitness zu tun“ zu skandieren; ein Jahr später hielten dieselben Leute immer noch an ihrer angstmachenden Rhetorik fest. Manchmal frage ich mich, ob das zum Teil daran liegt, dass fetten Körpern so wenig Glauben geschenkt wird – in ärztlichen Praxen, aber auch in der akademischen Welt im weiteren Sinne. Stigmatisierung und fettenfeindliche Voreingenommenheit halten uns von der Wissensproduktion fern. Und ich finde es merkwürdig, dass insbesondere in Bereichen, die sich auf evidenzbasierte Praxis und Politikgestaltung berufen, Vertreter*innen mit medizinischem oder technischem Fachwissen bequemerweise die Daten ausschließen, die nicht zu ihren lang gehegten Überzeugungen und Vorurteilen passen.
Kooperieren statt optimieren
Aber das alles spielt keine Rolle. Und ich werde bei meiner Ärztin bleiben, denn zumindest ist sie auf meiner Seite, wenn es um all die anderen Parameter geht, die wir tatsächlich kontrollieren müssen. Ich wünschte nur, sie könnte diesen Körper so sehr zu schätzen wissen wie ich. Dass sie sehen könnte, dass es bereits der beste Körper ist, den ich habe, und dass es nicht darum geht, ihn zu optimieren, sondern zu kooperieren. Dass ich meinen Körper nicht verändern, sondern ihn unterstützen will. Weil ich diesen dicken, fetten Körper so liebe, wie er ist.
Vielleicht kommen wir ja dahin. Aber wahrscheinlich noch nicht heute.
Katta beschäftigt sich mit marginalisierten Perspektiven auf Technologie um kritisches Design und Technologiegestaltung zu informieren. Diese Arbeit spielt sich an der Schnittstelle von Informatik, Design und Kritischer Theorie ab. Mehr über Katta’s Arbeiten gibt es auf katta.mere.st zu finden.
Dieser Artikel ist in englischer Fassung zuerst erschienen in Pipe Wrench, no. 6, The Fat Issue, Spring 2022