Ein Gefühl von Sicherheit“

Flo Grabher betreibt in Wien das queer muscle studio, ein Fitnessstudio für FLINTA* Personen. Warum kann Kraftsport für queere Menschen empowernd sein und was hat Sport mit Konsens zu tun? Interview: Bettina Enzenhofer

Flo Grabher macht einen Liegestütz und schaut frontal in die Kamera.
Flo Grabher © Renate Schwarzmüller, Flo Grabher

Inhalt in Einfacher Sprache

Das ist die Zusammenfassung von einem Interview über Kraftsport und das Wiener Fitness-Studio „queer muscle“. Dort dürfen Frauen, Lesben, inter*, trans*, nicht-binäre und agender Personen (FLINTA*) trainieren. Das Fitness-Studio gehört Flo Grabher. Die Journalistin Bettina Enzenhofer hat Flo Grabher Fragen zu Kraftsport gestellt.

FLINTA* Personen überlegen im Alltag oft: „Bin ich gerade in einer sicheren Situation? Oder sind hier queer-feindliche Menschen?“ Im Sport muss man sich auf etwas anderes konzentrieren, zum Beispiel auf Gewichte heben. Deshalb ist ein Ort gut, an dem man sich sicher fühlen und „nur Sport“ machen kann.

Flo Grabher berührt niemanden beim Training und achtet auf die Sprache. Zum Beispiel haben manche Menschen in ihrem Leben oft gehört: „Steh gerade!“. So ein Satz kann viele Gefühle auslösen. Flo Grabher fragt deshalb vor dem Training: Gibt es bestimmte Aussagen, die Flo Grabher nicht sagen soll? Im Fitness-Studio „queer muscle“ ist auch Konsens wichtig. Das heißt: Man darf zum Beispiel zu einer vorgeschlagenen Übung immer Nein sagen. 

Kraftsport und Stark-sein kann sich für Menschen gut anfühlen. Es geht dabei nicht um einen großen Bizeps, sondern um ein besseres Gefühl und Selbstbewusstsein. Kraftsport ist außerdem gut für die Knochen und kann Rückenschmerzen lindern. Auch für ältere Menschen ist Kraftsport gut. Flo Grabher sagt: Es ist nie zu spät, mit Kraftsport zu beginnen, aber man sollte immer auf die richtigen Übungen und die richtige Ausführung achten.

Bettina Enzenhofer hat diese Zusammenfassung geschrieben. Hast du Fragen zum Text? Schreib an die Redaktion: be(at)ourbodies.at

Flo Grabher hat Technische Chemie studiert, in der Krebsforschung gearbeitet und nur nebenbei Krafttraining gemacht. Als es immer mehr Anfragen an Flo gab, Übungen zu zeigen und Workshops rasch ausgebucht waren, hat Flo die Personal-Training-Ausbildung gemacht und 2022 das queer muscle studio eröffnet: Ein Fitnessstudio in Wien für FLINTA* Personen.

Bettina Enzenhofer: Du richtest dich mit deinem Fitnessstudio explizit an Frauen, Lesben, inter*, non-binary, trans und agender Personen (FLINTA*). Warum sind Safer Spaces für queere Menschen gerade im Sport so wichtig?

Flo Grabher: Gesellschaftlich gibt es zwei anzustrebende Idealvorstellungen von Körpern: der cis Mann mit Sixpack, die cis Frau mit definierten Muskeln. Beide dünn, able-bodied und normschön. Wer in diese vermeintlichen Idealbilder nicht hineinpasst, nicht hineinpassen kann oder nicht hineinpassen will, hat es schon mal sehr schwer. Die Sportwelt legt meistens noch eins drauf und suggeriert, dass Sport nur dazu da ist, den eigenen Körper möglichst nah an eines dieser Bilder anzupassen. Das ist an sich ein großes Problem – für queere und nicht-queere Personen.

Als FLINTA* Personen sind wir es zusätzlich noch gewohnt, im Alltag durchgehend abzuchecken, wie sicher oder gefährlich eine Situation ist. Kann ich jetzt auf die öffentliche Toilette gehen oder werde ich gleich wieder rausgeschmissen? Kann ich auf die Frage der fremden Person antworten, oder verrät meine Stimme, dass ich trans bin und bringt mich die Situation dann mehr in Gefahr als wenn ich gar nicht antworte? Muss ich sagen, ich habe einen Freund/Mann, damit mich die Person in Ruhe lässt?

Wenn wir Sport machen, haben wir nicht die Kapazität, ständig den Überblick über die gesamte Situation zu behalten. Wenn ich am Boden Liegestütze mache, kann ich nicht die Körperhaltung einnehmen, mit der ich mich sicher fühle. Wenn ich schwere Gewichte hebe, kann ich nicht auf jede Person achten, die den Raum betritt.

Gerade im Sport braucht es deshalb Räume, die all diese Gefahren so gut es geht draußen halten, damit einfach mal „nur Sport“ gemacht werden kann. Ohne alle potenziellen Gefahren im Blick haben zu müssen.

Bettina Enzenhofer: Wie unterscheidet sich queer muscle von anderen Fitnessstudios, worauf legst du in deinen Kursen und Trainings besonders Wert?

Flo Grabher: Für mich ist es wichtig, dass queer muscle ein Raum ist, in dem Konsens gelebt wird. Das beginnt einmal damit, dass ich Personen, die hier trainieren, nicht berühre. Es findet keinerlei Körperkontakt statt, weder in den Kursen noch in den Personal Trainings. Und selbstverständlich gilt ein Nein, wann immer eines kommt. Wenn ich zum Beispiel eine Übung vorschlage und eine Person diese Übung nicht ausführen will, gibt es genug andere Übungen, die stattdessen gemacht werden können. Das Nein gilt.

All diese Dinge sage ich jeder Person beim ersten Training. Genauso wie ich mich mit Namen und Pronomen vorstelle und diese ebenfalls abfrage. Manchmal testen Leute im Studio auch neue Namen oder Pronomen aus, schauen, was sich gut anfühlt. Dafür ist immer Platz. Genauso wie für Emotionen. Sport kann nämlich viele Emotionen hochkommen lassen. Und die haben auch immer Platz.

Ich versuche so traumasensibel wie möglich zu sein. Das beinhaltet zum Beispiel, dass ich Formulierungen vermeide, die mit traumatischen Erlebnissen verbunden werden. Wenn eine Person ein Leben lang gesagt bekommen hat „Schultern zurück! Steh gerade!“, kann das sehr viel auslösen. Deshalb frage ich auch da immer nach. Oft kommt erst mitten im Training raus, welche Formulierungen potenziell heikel sein können. Auch das ist natürlich okay.

Und selbstverständlich ist queer muscle ein Ort, an dem Bodyneutrality gelebt wird. Körper dürfen genauso wie sie sind sein und trotzdem Sport machen. Ganz egal, ob es dabei um Gewicht, Körperform, Ability und Disability, um Verletzungen oder anderes geht. Wir haben zum Beispiel auch nur einen Spiegel im Studio hängen. Und der ist verhängt. Die Abdeckung kann jederzeit einfach entfernt werden, aber prinzipiell ist der Spiegel verdeckt.

Bettina Enzenhofer: Welche gesundheitlichen Vorteile können Kraftsport und mehr Muskelmasse haben und warum kann Kraftsport insbesondere für queere Menschen wichtig sein?

Flo Grabher: Kraftsport macht mit unserem Körper sehr viel mehr als einen größeren Bizeps für die Posing-Fotos. Von einer höheren Knochendichte über weniger Rückenschmerzen und einem besseren Selbstwertgefühl ist alles dabei. Und natürlich auch einfach mehr Kraft. Und stark sein fühlt sich verdammt gut an! Gerade als queere Personen! Das kann auch ein zusätzliches Gefühl von Sicherheit geben. Und oft kann Sport natürlich auch Dysphorien lindern, oder allgemein ein besseres Gefühl zum eigenen Körper ermöglichen. 

Die meisten FLINTA* Personen haben außerdem einen Großteil ihres Lebens direkt oder indirekt gesagt bekommen, dass sie nicht stark seien, nicht so schwer heben könnten und so weiter. Da tut es oft gut, mal einfach einen kurzen Reality Check zu machen und zu merken, dass das vielleicht gar nicht stimmt.

Queere Körper werden objektiviert und bewertet. Wahrscheinlich kennt jede queere Person von mehr als einer fremden Person die ungefragte Meinung zum eigenen Körper. Das ist oft unser Alltag. Mit Sport weg von den Äußerlichkeiten mehr zu dem hinzukommen, was der Körper kann und schafft, kann extrem empowernd sein.

So wie die meisten Menschen, die für die Arbeit jeden Tag mindestens acht Stunden am Computer sitzen, irgendwann Rückenschmerzen bekommen, so gibt es auch bei queeren Personen immer wiederkehrende Themen. Zum Beispiel wandern die Schultern der meisten trans maskulinen Personen ab der Pubertät immer weiter vor und bleiben dann dort. Das kann auf Dauer zu großen Schulter- und Rückenproblemen führen. Hier kann Kraftsport ein großartiger Ausgleich sein und oft auch schon schmerzende Schultern wieder schmerzfrei bekommen.

Rund um Themen wie Mastektomie kann dann nochmal ein großer Bedarf an Kraftsport dazukommen. Wer gut vorbereitet in solche OPs reingeht, wird eine sehr viel kürzere und einfachere Genesungszeit haben und schneller wieder einsatzfähig sein. Seit Kurzem biete ich deshalb auch den Top Surgery Guide an. Der Guide umfasst 18 Wochen Training für die Zeit vor und nach einer Mastektomie. Neben einem Personal Training, Krafttrainingseinheiten, täglichen Mobilitätsübungen und dem Zugang zu einer Online-Community gibt es Checklisten und weitere Infos, zum Beispiel zur Narbenpflege oder zur Lymphdrainage-Massage für zuhause.

Bettina Enzenhofer: In einer Studie habe ich kürzlich gelesen, dass das Wissen über Kraftsport – zum Beispiel wie lange Ruhephasen sein sollen oder wie viele Trainingseinheiten man machen soll – großteils von Männern für Männer geschrieben wurde; dass Frauen in solchen Studien kaum berücksichtigt wurden und alle weiteren Geschlechter überhaupt nicht.

Flo Grabher: Ja, das ist ein großes Problem. Erst seit sehr kurzer Zeit werden hin und wieder cis Frauen in Studien berücksichtigt. Dabei sind schon spannende Sachen rausgekommen. Die durchschnittliche cis Frau hat zum Beispiel eine sehr viel bessere Kraftausdauer als der durchschnittliche cis Mann. Auch der monatliche Zyklus wird ja seit Ewigkeiten tabuisiert, dabei kann es von großem Vorteil sein, mit Blick darauf zu trainieren. Wer besonders stark werden möchte, könnte die Maximalkrafteinheiten in die Follikelphase legen, da ist das Verletzungsrisiko geringer und die Kraft mehr da. In der Lutealphase hingegen macht Techniktraining und Beweglichkeitstraining dann zum Beispiel mehr Sinn.

Trans* und inter* Personen werden in der Sportwelt leider weiterhin ignoriert. Da gibt es beinahe gar nichts an Studien. Dementsprechend versuchen Menschen wie ich Studienergebnisse mehr auf Hormonwerte, Körpergrößen und andere Faktoren herunterzubrechen, um zumindest einige Aussagen für TIN* Personen treffen zu können.

Bettina Enzenhofer: Für welche Menschen ist Kraftsport nicht geeignet?

Flo Grabher: Für Menschen, die ein ärztliches Verbot bekommen haben. Und natürlich gibt es auch die Möglichkeit, dass Kraftsport, vor allem in toxischen Umfeldern, zu sehr viel Druck und psychischer Belastung führen kann. Dann ist es natürlich auch keine gute Idee. Wie bei jeder Sportart sollte jedenfalls ein Umfeld gefunden werden, in dem es sich gut anfühlt, Sport zu machen. 

Ansonsten ist irgendeine Art Kraftsport wirklich für die meisten Menschen von Vorteil. Sogar Kinder könnten Kraftsport machen, wenn sie Lust dazu haben – der Glaube, dass Kraftsport das Wachstum von Kindern hemmen würde, ist mittlerweile längst widerlegt. Und gerade vor Kurzem sind neue Studien erschienen, die wieder bestätigen, wie gut Kraftsport im Alter ist.

Bettina Enzenhofer: Muskeltraining bei älteren Menschen ist ein wichtiges Thema – was aber tun, wenn man noch nie Kraftsport gemacht hat? Ist es irgendwann zu spät, um mit Kraftsport zu beginnen? 

Flo Grabher: Nein, es ist nie zu spät. Nur sollte auf die richtige Wahl der Übungen und die richtige Ausführung geachtet werden. Wer also die Möglichkeit hat, in einem geführten Rahmen zu starten, sollte sich das überlegen. Hauptsache es wird darauf geachtet, dass nach den eigenen Möglichkeiten trainiert wird.

Bettina Enzenhofer: Hast du einen Tipp für Menschen, die mit Sport beginnen wollen, sich aber nicht motivieren können?

Flo Grabher: Wer sich gar nicht motivieren kann, einen ersten Schritt zu machen, kann sich überlegen, ob der Wunsch mit Sport zu beginnen denn wirklich aus eigenen Gründen da ist? Oder ob es eher ein Druck von außen ist. Wenn der Wunsch sehr wohl von innen kommt, wäre meine nächste Frage „Und was kann im schlimmsten Fall passieren, wenn du startest?“. Dann kommen wahrscheinlich alle Ängste, die die jeweilige Person davon abhält zu starten: Ich bin nicht gut genug darin, ich kann das doch nicht, wo kann ich mich dort umziehen, ich bin aber wirklich nicht fit, aber ich werde immer so rot, muss ich dann Übungen im Liegen machen, und und und. Sobald diese Sorgen ausgesprochen sind, kann dann geschaut werden, ob es denn nicht vielleicht einen Ort in der Nähe gibt, wo diese Themen keine Themen sind. Und dann wäre mein nächster Tipp: einfach mal starten. Ein erstes Mal. Hinschreiben, vorbeigehen. Und dann eine erste Einheit machen. Und schauen, ob der Spaß dann kommt.

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