Forschung, die Leben rettet

Ob Vollnarkosen, Diagnose Endometriose oder Impfungen gegen Brustkrebs: Aktuelle Studienergebnisse aus der Medizin zeigen, wie wichtig es ist, geschlechtersensibel zu forschen. Von Maddie Sin

viele Reagenzgläser nebeneinander in einer blau-schwarzen Box, eine pinke Pipette befindet sich über einem der Reagenzgläser
Foto: Louis Reed / Unsplash

Inhalt in Einfacher Sprache

Das ist die Zusammenfassung von einem Artikel über neue geschlechter-sensible Forschungs-Ergebnisse in der Medizin. Die Ärztin und Sexologin Maddie Sin hat den Artikel geschrieben.

In der Medizin gibt es eine große Datenlücke, weil Frauen aus der Forschung lange ausgeschlossen waren. Mittlerweile arbeiten mehr Frauen in der Medizin. Und feministische Bewegungen haben Druck gemacht. Sie haben gesagt: Es braucht bessere Forschung, die alle Geschlechter einbezieht.

Mittlerweile gibt es wichtige Forschungs-Ergebnisse, die zeigen: Geschlechter-sensible Forschung ist sehr wichtig. Sie kann Leben retten. Maddie Sin gibt in ihrem Text viele Beispiele für geschlechter-sensible Studien-Ergebnisse.

Zum Beispiel wachen Frauen viel schneller aus einer Narkose auf. Die Vermutung ist: Frauen können Schlafmittel schneller abbauen als Männer. Eine erste Studie liefert dazu wichtige Hinweise. Jetzt muss weiter geforscht werden.

Ein anderes Beispiel ist Endometriose. Viele Frauen leiden unter Endometriose. Ein Symptom von Endometriose sind starke Regelschmerzen. Für die Krankheit gibt es noch keine Erklärung. Eine neue Studie aus Japan zeigt: Bei den Betroffenen kommen bestimmte Bakterien viel öfter vor, sogenannte Fusobakterien. Daran muss jetzt weiter geforscht werden. Denn vielleicht kann eine Therapie mit Antibiotika helfen. Und vielleicht kann Endometriose so auch verhindert werden.

Ein weiteres Beispiel im Text: Eine Impfung könnte gegen Brustkrebs helfen. Das zeigt eine Studie aus Wien. In dieser Studie hat eine Gruppe von Frauen eine Krebstherapie bekommen. Eine andere Gruppe hat zusätzlich die Impfung bekommen. Die Frauen, die die Impfung bekommen haben, hatten bessere Überlebens-Chancen. Das macht Hoffnung, dass Brustkrebs in Zukunft besser behandelt werden kann.

Eine Impfung kann auch Gebärmutterhals-Krebs verhindern. Das zeigen mehrere Studien.

Ein letztes Beispiel aus dem Text: Eine Studie aus Großbritannien hat zum ersten Mal untersucht, wie viel Blut Perioden-Produkte aufnehmen können. Die Forscher*innen haben gemessen, wie viel Milliliter Blut Tampons, Binden, Menstruations-Tassen und Perioden-Unterwäsche aufnehmen. Dieses Wissen kann jetzt dabei helfen, starke Perioden festzustellen. Starke Perioden können negative Folgen für die Gesundheit haben.

All diese Beispiele zeigen: Geschlechter-sensible Forschung ist wichtig.

Brigitte Theißl hat diese Zusammenfassung geschrieben. Hast du Fragen zum Text? Schreib an die Redaktion: be(at)ourbodies.at

Dass es den „Gender Data Gap“ gibt, hat sich inzwischen herumgesprochen, auch dank Büchern wie „Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado Perez, in dem die Autorin zahlreiche Beispiele für die oft fatalen Folgen von androzentrischer Forschung versammelt. Die geschlechtsspezifische Datenlücke entstand durch den langen Ausschluss von Frauen und Menschen außerhalb des binären Geschlechtersystems aus der Forschungspraxis. Dank einflussreicher feministischer Bewegungen, mehr Frauen, die in der Medizin und Forschung arbeiten, und Patient*innen, die darauf pochen, dass ihre Symptome ernst genommen werden, beginnt sich diese große Lücke in der medizinischen Forschung endlich langsam zu schließen. 

Schneller aufwachen

Bereits Ende der 1990er fiel Anästhesist*innen auf, dass Frauen viel schneller aus der Narkose aufwachen als Männer. Fast zwei Mal so schnell. Anfang des Jahres wurde nun eine Studie veröffentlicht, die belegt, dass cis Frauen nach einer Narkotisierung schneller wieder zu sich kommen als cis Männer. In einem Experiment mit dreißig Personen erlangten die teilnehmenden zwölf Frauen alle schneller ihr Bewusstsein als die 18 Männer. Bei einer Vollnarkose werden drei Medikamentengruppen kombiniert: Muskelrelaxanzien, Schmerzmittel und Schlafmittel, die auch Hypnotika genannt werden. Diese letzte Gruppe schaltet das Bewusstsein aus und sorgt dafür, dass man sich nicht an die Operation erinnern kann. Die These ist, dass weibliche Körper Schlafmittel schneller abbauen können als männliche. 

Trotz der kleinen Zahl von Studienteilnehmenden liefert die Studie wichtige erste Ergebnisse, die nun mit mehr Personen wiederholt werden müssen, um das Phänomen genauer erklären zu können. Geschlechterunterschiede, wie sie an diesem Beispiel sichtbar werden, treten in der Forschung inzwischen immer häufiger auf, da bis in die 1980er nur der cis männliche Körper zum Maßstab genommen wurde und sogar bis in die 1990er Medikamente fast ausschließlich an cis Männern getestet wurden.

Fiese Fusobakterien

Eine Diagnose, die viele cis Frauen und Menschen mit Uterus betrifft und seit einigen Jahren endlich mehr Aufmerksamkeit bekommt, ist Endometriose. Bei der Krankheit siedelt sich Gewebe ähnlich der Gebärmutterschleimhaut, das Endometrium, außerhalb der Gebärmutter im Körper an. Liegt eine Endometriose vor, gibt es Stellen mit Gebärmutterschleimhaut z. B. in der Muskelschicht der Gebärmutter unter der Schleimhaut. Das Gewebe kann aber auch an andere Stellen im Körper, wie in der Blase oder im Darm auftauchen. Das kann für Patient*innen sehr schmerzhaft sein und mit verschiedenen Symptomen einhergehen. Aktuell gibt es noch keine eindeutige Erklärung, wie es zur Entstehung von Endometriose kommt und warum die Gewebsherde auch außerhalb der Gebärmutter entstehen. Eine aktuelle Studie aus Japan zeigt nun, dass bestimmte Bakterien, sogenannte Fusobakterien, bei Patient*innen mit Endometriose signifikant häufiger vorkommen als bei nicht betroffenen Studienteilnehmenden. Darüber hinaus konnte im Labor nachgewiesen werden, dass eine Infektion mit Fusobakterien zu einer Aktivierung und Vermehrung der Endometriumszellen führt. Diese Zellen waren auch in der Lage sich zu bewegen, was erklären könnte, wieso Endometriumszellen außerhalb der Gebärmutter als Läsionen vorkommen können. Die Behandlung einer Infektion durch Fusobakterien mit den richtigen Antibiotika könnte also ein möglicher Ansatz zur Behandlung und vielleicht auch zur Prävention der Endometriose sein.

Krebs per Impfung bekämpfen

Auch in der Krebsforschung geht es stetig voran. Beim jährlichen Treffen der American Society of Clinical Oncology im Juni stellten Wissenschafter*innen aus Wien ein erstes vielversprechendes Studienergebnis nach den höchsten pharmakologischen Standards vor. Hier wurde zusätzlich zur regulären Krebstherapie eine Impfung eingesetzt. Der Impfstoff (Stimuvax) wirkt dabei als aktive Immuntherapie. Neunzig Prozent der Brustkrebszellen haben ein bestimmtes Protein (MUC1) auf ihrer Zelloberfläche überproduziert. Das Protein kommt auch in gesunden Zellen von Menschen vor, wo es Oberflächen schützt. In Krebszellen hat MUC1 jedoch eine veränderte Struktur und nimmt die gesamte Zelloberfläche ein, sodass Krebszellen nicht vom Immunsystem erkannt werden und ungehindert wachsen können. Der Impfstoff beinhaltet einen bestimmten Teil des MUC1-Proteins der Krebszellen. Dieser Teil kann durch die Impfung dem Immunsystem präsentiert werden. Das Immunsystem wird aktiviert und lernt die Krebszellen anhand des MUC1-Teils zu erkennen und zu zerstören. Die Studie lief randomisiert über sieben Jahre, was bedeutet, dass zwei Gruppen an Patient*innen zufällig entstanden: Eine Gruppe erhielt die reguläre Krebstherapie, während die andere Gruppe die Therapie mit zusätzlicher Impfung erhielt. Die Ergebnisse zeigten deutlich verbesserte Überlebenschancen und deutlich weniger Entwicklungen von Metastasen in der Gruppe der Frauen, die zusätzlich die Impfung erhielten. Anschließende Studien sollen mehr zu dieser potenziell neuen Behandlungsmöglichkeit herausfinden.

Auch Gebärmutterhalskrebs kann durch Impfungen verhindert werden. Er entsteht in über neunzig Prozent der Fälle durch die humanen Papillomaviren (HPV). Dies betrifft nicht nur cis Frauen und die Zervix, sondern kann auch zu Krebs im Hals- und Analbereich, an Penis, Vagina und Vulva führen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte im Juli einen Bericht zum Thema therapeutische HPV-Impfungen. Impfstoffe gegen HPV existieren aktuell nur zur Prävention, also zur Vorbeugung von Infektionen mit HPV. Da dieser so effektiv darin ist, Krebsfälle zu verhindern, ruft die WHO auf, auch therapeutische Impfstoffe gegen HPV weiterzuentwickeln. Mit einer solchen Entwicklung wären mehr Behandlungsoptionen für die große Gruppe erwachsener Patient*innen, bei denen Krebsvorstufen in der Vorsorgeuntersuchung mittels PAP-Abstrich gefunden werden, ermöglicht. Liegen solche Gewebeveränderungen am Gebärmutterhals vor, werden diese von Krebsvorstufen 1 bis 3 eingeordnet. Die Region der Zervix mit Gewebeveränderungen muss mittels lokaler Operationen entfernt werden, um die Entwicklung von Gebärmutterhalskrebs zu verhindern. In ersten Studien mit therapeutischen Impfstoffen wurden Stufe 2 und 3 der Krebsvorstufen behandelt und entwickelten sich zu 1 oder sogar normalem Gewebe zurück. Dies sind wichtige Ergebnisse, da somit weniger invasive Behandlungsoptionen zur Verfügung stünden und Fälle von Gebärmutterhalskrebs verhindert werden könnte.

Starke Perioden

Das British Medical Journal ist eines der renommiertesten Journals für medizinische Forschung. Im Teil für Sexual and Reproductive Health publizierte Emma DeLoughery mit Kolleg*innen im vergangenen Jahr eine Studie, in der die Kapazität von Menstruationsprodukten zum allerersten Mal mit Blut in Milliliter gemessen wurde. Die Gruppe der Forschenden aus Oregon testete Tampons, Binden, Menstruationstassen und Periodenunterwäsche darauf, wie viel Milliliter Blut überhaupt aufgenommen werden können. Zuvor war lediglich die Aufnahmefähigkeit von Tampons auf industrielle Art getestet worden, also nur mit Wasser oder Kochsalzlösung. Die Diagnose von schweren Perioden, die gesundheitlich relevant werden können, kann mit dem Wissen aus Delougherys Studie viel besser definiert und gestellt werden. 

Maddie Sin ist Ärztin und Sexologin aus Berlin. Sie arbeitet als Dozentin und Sexualtherapeutin in Berlin und London und verbindet Wissenschaftskommunikation und Feminismus regelmäßig in Texten, Workshops und online auf Instagram und Twitch.

Dieser Text erschien zuerst in an.schläge VI/2024.

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