Nase voll
Über viele Jahre quälten mich wiederkehrende Nasennebenhöhlenentzündungen – und die Angst, als weinerlich zu gelten. Von Brigitte Theißl
Meine erste Nasennebenhöhlenentzündung hat sich geradezu in mein Gedächtnis gebrannt. Trotz Schnupfen – eine leichtfertige Entscheidung, wie ich heute weiß – feierte ich Silvester auf dem Balkon eines Freunds. Und setzte mich anschließend auch noch an einen Tisch mit Raucher*innen, die die kleine Küche einnebelten. Bereits wenige Stunden später bekam ich die Rechnung präsentiert. Ein stechender Schmerz bohrte sich durch meine Wangen und meine Stirn. Ich konnte kaum noch durch die Nase atmen, an Schlaf war nicht zu denken.
Fast drei Wochen dauerte es, bis mir diese fiese Nasennebenhöhlentzündung nicht länger Probleme machte – und sie kehrte anschließend immer wieder.
„Bei einer Sinusitis sind die Schleimhäute der Nasennebenhöhlen entzündet. Neben Schnupfen und verstopfter Nase sind Schmerzen in Gesicht und Kopf typisch für diese Erkrankung“, ist auf gesundheit.gv.at zu lesen.
Krankenstand: keine Option
Mindestens dreimal pro Jahr erkrankte ich an einer Sinusitis, nur langsam lernte ich, was mir guttut und was mir dabei hilft, sie bestmöglich zu verhindern. Denn die Behandlungsmöglichkeiten sind beschränkt: Antibiotika helfen nur bei einer bakteriell bedingten Nebenhöhlenentzündung, der Heilungsprozess ist ein langwieriger. „Kurz andauernde Nasennebenhöhlenentzündungen werden meist durch Viren verursacht. Dennoch neigen Ärzt*innen dazu, Antibiotika zu verschreiben, die nur zur Behandlung bakterieller Infektionen eingesetzt werden sollten“, heißt es in einem Cochrane Review.
Und was eine Sinusitis so anstrengend macht: Krank wie bei einer Grippe, mit Fieber und großer Erschöpfung, war ich nur selten. Dennoch begleitete mich ein mehr oder wenig starker Schmerz gute zwei Wochen, nachts wachte ich wiederholt auf, ich schmeckte kaum etwas, an größere körperliche Anstrengung war nicht zu denken. Aber wer hat schon die Möglichkeit – oder kann es sich leisten – zwei Wochen in Krankenstand zu gehen? Wegen einer „verstopften Nase“? Noch dazu mehrmals pro Jahr? Als Soloselbständige schleppte ich mich zu dieser Zeit zu Terminen, schluckte Schmerzmittel, um einige Stunden konzentriert arbeiten zu können und legte mich ins Bett, wenn es gar nicht mehr ging. Empfehlungen von Ärzt*innen, die Krankheit im Bett „ordentlich auszukurieren“ quittierte ich mit einem Lächeln.
„Die wieder mit ihren Problemen“
Nicht immer einfach war es auch, meinem Umfeld die Situationen zu erklären, denen ich mich lieber nicht länger aussetzen wollte. Spaziergang im Winter bei Minusgraden und Wind? Keine gute Idee für meine ohnehin schon gereizten Schleimhäute. Treffen in einem verrauchten Lokal? Bitte nicht!
Besonders zu schaffen machten mir Klimaanlagen, Zugfahrten über zwei Stunden entwickelten sich zur reinen Qual. Denn die kalt-trockene Luft macht die Schleimhäute weniger widerstandsfähig. Auch die Nasenschleimhäute mit Nasenöl zu befeuchten, brachte leider wenig. Nach einer jeweils neunstündigen Fahrt mit der Deutschen Bahn und wechselweise stickiger Luft wegen ausgefallener Klimaanlage und einem Gebläse, das Kühlhausatmosphäre verbreitete, kassierte ich die zweitschlimmste Sinusitis meines Lebens.
Trotzdem sagte ich immer wieder Treffen zu, um nicht als weinerlich oder seltsam zu gelten. „Ich kann nicht mit dem Zug fahren wegen meiner Nasennebenhöhlen“, kommt selten gut an. „Die wieder mit ihren Problemen“, konnte ich an den Blicken der Menschen ablesen.
Her mit der Nasendusche
Erst nach Jahren geriet ich endlich an eine HNO-Ärztin, die das Problem systematisch in Angriff nahm. Überhaupt begegnete ich Empfehlungen, die auf den Webseiten von teuren Privatärzt*innen oder in Forschungspapieren zu finden sind, in der Behandlungspraxis nicht.
Ein Allergietest belegte schließlich, dass ich auf so ziemlich alle Bäume und Gräser allergisch reagiere, meine Nasenschleimhäute sind deshalb häufig stark geschwollen. Und das begünstigt eine Sinusitis zusätzlich. Die Ärztin verschrieb mir einen Cortison-Nasenspray, den ich nun dauerhaft nutze. Die Nasennebenhöhlenentzündungen sind seither viel seltener geworden – und fallen auch weniger schlimm aus. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, das Problem unter Kontrolle zu haben. Ich investiere nicht länger Geld in ziemlich unnütze und unverschämt teure Produkte, die zur „ergänzenden Behandlung“ vermarktet und sogar von Hausärzt*innen empfohlen werden. Immer dabei habe ich stattdessen meine Nasendusche, die mit Salzwasser zum Einsatz kommt, auch Rotlicht tut manchmal gut, wenn sich ein leichter Schnupfen bemerkbar macht. Und in meiner Wohnung steht ein Wasserverdampfer, der in der Heizperiode die Raumluft befeuchtet.
Dass Nebenhöhlenentzündungen offenbar viele Menschen quälen, sieht man allein daran, wie viele Videos es auf YouTube zum Thema gibt. Und ja – ich habe bereits so ziemlich alle Wundermassagen ausprobiert, um meine Nase in einer Minute frei zu machen (alle, die irgendwann so frustriert sind, dass sie wirklich alles ausprobieren würden, können das vielleicht nachvollziehen). Zaubermittel existieren aber leider nicht. Zu hoffen bleibt, dass die Forschung irgendwann mehr über Nasennebenhöhlenentzündungen herausfindet und auch Schnupfenviren der Kampf angesagt wird. Es wäre ein Aufatmen für Millionen.
Brigitte Theißl hat mit Herbstbeginn ihre Rotlichtlampe immer griffbereit.