Vulva Riot
Wenn deine Vulva alle zwei Monate schmerzt und Gynäkolog:innen dich schulterzuckend mit einer Creme nachhause schicken. Von Sophia Foux
Das ist die Zusammenfassung von einem persönlichen Text von Sophia Foux. Die Autorin Sophia Foux hat immer wieder vaginale Entzündungen: Ihre Vulva schmerzt, juckt und brennt. Pilze oder Bakterien können das auslösen.
Sophia Foux hatte solche Entzündungen seit Jahren alle zwei Monate. Sie ist zu vielen Gynäkolog:innen gegangen. Dort bekam sie eine Creme. Die Gynäkolog:innen sagten: „Ihre Vagina hat eine empfindliche Flora, das kommt vor.“ Die Beschwerden kamen aber immer wieder. Deshalb hat Sophia Foux sich verzweifelt gefühlt.
Sie ist zu einem Privat-Arzt gegangen, der Spezialist ist bei diesen Entzündungen. Seine Behandlung hat besser geholfen. Aber der Arzt ist sehr teuer. Und Sophia Foux bekommt die Entzündungen noch immer – aber seltener als vorher.
Sophia Foux ärgert sich über eine Nebenwirkung: Die Medikamente zerstören auch gesunde Bakterien in der Vagina und im Darm. Sie gibt deshalb viel Geld für sogenannte Probiotika aus, die eine gesunde Bakterienkultur fördern sollen. Doch immer wieder kommt die nächste Entzündung. Sophia Foux sagt: Das ist ein Teufelskreis.
Es gibt in der Medizin zu wenig Wissen und Forschung zu diesem Thema. Sophia Foux ärgert sich darüber. Sie sagt: Es gibt bestimmt eine bessere Möglichkeit, diese Erkrankung zu behandeln. Aber zuerst muss die Medizin diese Beschwerden ernst nehmen.
Bettina Enzenhofer hat diese Zusammenfassung geschrieben. Hast du Fragen zum Text? Schreib an die Redaktion: be(at)ourbodies.at
Meine Vulva brennt mal wieder. Sie juckt auch und ohne Wundsalbe kann ich weder pinkeln, ohne vor Schmerz zusammenzuzucken, noch eine Unterhose tragen. Jede Berührung ist eine zu viel. Ich weiß, was mein Gynäkologe dazu sagen wird: Candidose (also Scheidenpilz). Oder Bakterielle Vaginose (also eine bakterielle Infektion). Oder überhaupt am besten: Vulvovaginale Candidose. In dem Fall feiern die Bakterien und Pilze eine fette Party miteinander und es tut einfach scheiße weh.
Ich leide bereits seit Jahren unter diesen chronischen vaginalen Entzündungen. Es hat Jahre gedauert, bis ich überhaupt herausgefunden habe, dass diese Erkrankungen chronisch sein können und meine Symptomatik auch gar nicht so selten vorkommt. Denn alle Kassen-Gyns, bei denen ich während dieser Zeit war, haben mich meistens schulterzuckend mit einer Creme für eine lokale Behandlung wieder nach Hause geschickt. Ist halt so, meinten sie, manche Vaginen haben einfach eine empfindliche Flora. Meine Verzweiflung hat mich dann zu einem Privat-Gynäkologen geführt, der Spezialist auf diesem Gebiet ist. Tatsächlich hat mir seine Langzeittherapie besser geholfen als all die Cremes und Mittelchen zuvor, aber völlig weg sind die Beschwerden trotzdem nicht. Anstatt alle zwei Monate habe ich jetzt nur noch jedes halbe Jahr Beschwerden. Besagter Gynäkologe ist leider aber auch sehr teuer und manchmal habe ich tatsächlich Alpträume, was passiert, wenn ich ihn mir einmal nicht mehr leisten kann.
Die finanzielle Belastung erfolgt aber nicht nur durch den Privatarzt. Ich kann mittlerweile gar nicht mehr zählen, wie viel Geld ich bereits für Probiotika ausgegeben habe, um nach all den hochdosierten Antimykotika und Antibiotika meine Flora wieder einigermaßen aufzubauen. Allerdings haben mich vor allem die Antibiotika in einen Teufelskreislauf geführt: Meine ohnehin schon angegriffene Vaginalflora verliert durch das Medikament auch noch die letzten Milchsäurebakterien. Ich verwende viel Zeit und Geld darauf, diese mühsam mit Probiotika wieder aufzubauen. Nach spätestens einem halben Jahr kündigt sich aber die nächste Infektion an, was wiederum Antibiotika bedeutet. Die greifen nicht nur das Mikrobiom in meiner Vagina an, sondern auch das im gesamten Verdauungstrakt. Ziemlich unglücklich, da ein gesundes Mikrobiom im Darm mit einer gesunden Vaginalflora zusammenhängt. Den Darm nach Antibiotika wieder völlig aufzubauen, dauert etwa sechs Monate. Mir bleibt also nie genügend Zeit, eine stärkere Abwehr gegen Infektionen aufzubauen.
Mittlerweile habe ich die Nase so gestrichen voll von der androzentrischen Medizin, die es nicht für wichtig genug erachtet, mehr Ressourcen in die Forschung zu stecken und ganzheitliche, sinnvolle Lösungen für „frauenspezifische“ Probleme zu finden. Ich bin mir sicher, dass ich nicht einfach nur „eine empfindliche Flora“ habe und dass man da nichts anderes versuchen kann als starke Medikamente, die zwar wirken, aber gleichzeitig viel Schaden anrichten. Es gibt viel zu wenig Wissen darüber, wie diese bakteriellen Ungleichheiten im Körper entstehen und wie sie langfristig nachhaltiger und sinnvoller behandelt werden könnten. Vor allem aber habe ich die Nase auch voll, die gesamte Verantwortung für dieses Nicht-Wissen zu übernehmen: Hätte ich nicht mal wieder zu viele wechselnde Sexpartner*innen gehabt, wäre meine Flora vielleicht in Ordnung. Hätte ich nicht vergessen, meine Unterhosen immer mit 90 Grad zu waschen, keinen Zucker zu essen, nie zu rauchen, keinen Kaffee und keinen Alkohol zu trinken und niemals in die Sauna oder einen Pool zu gehen, wäre meine Flora vielleicht ebenfalls in Ordnung. Vielleicht. Aber für ein Vielleicht so ziemlich alles aufzugeben, das Spaß macht, finde ich einfach nicht fair.
Sophia Foux träumt von kompetenten, kassenfinanzierten, verständnisvollen und sexpositiven Gynäkolog*innen und ist mehr als offen für Empfehlungen.
Dieser Text erschien zuerst in einer kürzeren Version in an.schläge V/2024.