Schmerzen, Frust & hohe Kosten
Endometriose ist eine weit verbreitete Krankheit – und trotzdem ist der Weg zu Diagnose und Behandlung für die meisten Betroffenen lang und frustrierend. Wie kann das sein? Von Antonia Kranebitter

Das ist die Zusammenfassung von einem Text über Endometriose. Die Journalistin Antonia Kranebitter hat ihn geschrieben.
Endometriose ist eine sehr lang dauernde Krankheit, die viele Menschen haben. Bei Endometriose ist Gewebe, das der Gebärmutter-Schleimhaut ähnlich ist, außerhalb der Gebärmutter. So können Zysten und Entzündungen entstehen. Bei den Betroffenen kann das starke Schmerzen während der Regelblutung und andere Beschwerden auslösen. Manche Betroffene können wegen Endometriose nicht schwanger werden. Betroffene leiden auch darunter, dass sie nicht ernst genommen werden. In Österreich gab es 2024 einen Menstruations-Gesundheitsbericht. Der Bericht sagt: Eine von 10 Frauen hat Endometriose.
Auch Menschen mit einer nicht-binären, trans oder agender Geschlechtsidentität können von Endometriose betroffen sein. Sie werden oft ausgeschlossen, weil Endometriose als eine Frauen-Krankheit gilt. Die Selbsthilfegruppe EndoQueer bietet deshalb Vernetzung an.
Seit einigen Jahren wird mehr über Endometriose gesprochen. Trotzdem dauert es oft noch lange, bis Betroffene eine Diagnose bekommen. Es gibt auch wenige Ärzt*innen mit Kassenvertrag, die sich auf die Krankheit spezialisiert haben. Verena Buck ist Mitglied im österreichischen Verein EndÖ. Sie sagt: Es braucht dringend mehr Geld für Forschung und eine bessere Versorgung.
Frankreich hat 2022 als erster Staat Europas eine Strategie im Kampf gegen Endometriose entwickelt. Frankreich hat dafür 30 Millionen Euro investiert. In Österreich arbeitet die Regierung derzeit an einem Aktionsplan Endometriose.
Endometriose zeigt: Körper und Krankheiten sind immer auch politisch. Krankheiten, die öfter Frauen und queere Menschen betreffen, werden nämlich klein-geredet und es gibt eine schlechtere Versorgung. Selbsthilfegruppen sind also wichtig, um sich weniger allein zu fühlen und für eine bessere Versorgung zu kämpfen.
Brigitte Theißl hat diese Zusammenfassung geschrieben. Hast du Fragen zum Text? Schreib an die Redaktion: be(at)ourbodies.at
Eine Krankheit, von der vor zehn Jahren kaum jemand etwas gehört hatte, scheint inzwischen omnipräsent: Endometriose. Dabei handelt es sich um eine chronische Erkrankung, bei der sich gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter ansiedelt, wodurch sich Zysten und Entzündungen bilden, die schwerwiegende Symptome verursachen können. Doch obwohl Endometriose längst auch auf Social Media intensiv diskutiert wird, wird schon nach wenigen Stunden Recherche klar: Es besteht nach wie vor dringender Redebedarf. Auf den Aufruf, den ich auf Instagram poste, melden sich zahlreiche Freund:innen und Bekannte. Manche von ihnen leben seit Jahren mit einer Diagnose, andere haben den Untersuchungsmarathon frustriert aufgegeben und lassen sich verdachtsweise behandeln, einige kommen mit ihren Symptomen zurecht, andere sind in ihrem Alltag stark eingeschränkt. Ich höre Berichte von misslungenen Operationen, hohen Kosten, starken chronischen Schmerzen, Hormontherapien und psychosozialen Belastungen.
Sieben Jahre
In einigen Aspekten gleichen sich fast alle Erfahrungsberichte: Es ist schwierig, spezialisierte Ärzt:innen zu finden (erst recht mit Kassenvertrag), und auch die Behandlungsmöglichkeiten sind sehr eingeschränkt. Franziska*, die sich bereits eine Zyste entfernen lassen musste, erzählt, dass ihr nie eine andere Behandlungsmethode als die Pille angeboten worden sei. Die Aussicht, die Pille nun bis zur Menopause nehmen zu müssen, behagt ihr wenig. Lina* wiederum erzählt, dass erst beim Besuch in einer spezialisierten Praxis überhaupt nach der Ursache ihrer Schmerzen gesucht und dort tatsächlich eine Zyste gefunden wurde. Der Arzt davor hatte ihr lediglich die Pille verschrieben. Trotz positiver Entwicklungen wie Fortschritten in der Forschung und zertifizierte Endometriosezentren sind solche Berichte typisch für die derzeitige Versorgungslage: Sie weisen auf weitverbreitete Probleme sowie mangelnde Prioritätensetzung von staatlicher Seite hin. Laut Menstruationsgesundheitsbericht 2024 ist rund eine von zehn Frauen von Endometriose betroffen. Bis zu einer Diagnose vergehen in Österreich laut Bericht rund sieben Jahre. Im Mai 2025 kündigte Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) eine Überarbeitung des Aktionsplans für Frauengesundheit an. Auf an.schläge-Anfrage antwortet eine Sprecherin von Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig: Konkrete Maßnahmen wären in Arbeit, ein Schwerpunkt des Aktionsplans sei Endometriose. 2026 will die Regierung laut Gesundheitsministerium zusätzliche Mittel in der Höhe von zehn Millionen Euro für Forschung und Versorgung im Bereich Frauengesundheit zur Verfügung stellen.
Andere Länder gehen weiter: Frankreich verankerte im Jahr 2022 als erster Staat Europas eine Strategie im Kampf gegen Endometriose, begleitet von Investitionen in der Höhe von rund dreißig Millionen Euro für fünf Jahre, wie auf der Website des Gesundheitsministeriums zu lesen ist. Staatliche Investitionen in die Forschung und die stärkere Unterstützung von Betroffenen seien auch aus einer ökonomischen Perspektive bitter notwendig, so Verena Buck, Mitglied des österreichischen Vereins EndÖ und selbst Betroffene, im an.schläge–Gespräch. Spät behandelte Fälle etwa können gravierende gesundheitliche Folgen haben und das Gesundheitssystem entsprechend stark belasten. Die ökonomische Perspektive könne ein Anreiz für Regierungen sein, Forschung und Behandlung zu fördern.
Chronische Krankheit
Der Zugang zu umfassenden Behandlungen hängt derweil weiterhin oft vom Einkommen ab. Schnelle Diagnostik und ganzheitliche Therapieansätze existieren fast nur in der teuren Privatmedizin, sagt Verena Buck. Die Behandlung von Endometriose bleibt eine Klassenfrage, auch in Frankreich: Viele Vereine fordern die Aufnahme der Krankheit in die offizielle Liste der Langzeiterkrankungen, um eine volle Kostenübernahme zu ermöglichen. Auch hierzulande sollte Endometriose als systemische und chronische Krankheit anerkannt werden, so Verena Buck. Die Krankheit betreffe nicht nur, wie häufig angenommen wird, Reproduktionsorgane, sondern könne den ganzen Körper beeinträchtigen. Endometrioseherde können sich etwa bis in die Lunge ausbreiten und lebensgefährlich werden. Diese allgemeine Anerkennung ist laut Gesundheitsministerium jedoch nicht geplant. In Österreich können Betroffene aktuell einen Antrag auf ein individuelles Gutachten nach dem Bundesbehindertengesetz stellen, bei starkem Verdacht oder einer Diagnose wird außerdem die hormonelle Behandlung von der Krankenkasse übernommen. Vor allem bei starken Symptomen empfohlene ganzheitliche Therapieansätze wie etwa hormonelle Behandlungen ergänzt mit Schmerztherapien, Physiotherapien, Massagen oder auch psychischer Unterstützung müssen aber aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Selin* erzählt mir: Erst durch starke Hormone in Kombination mit Physiotherapie und einer speziellen Ernährung fand sie nach elf Jahren mit der Krankheit zu einem normalen Leben zurück. Die Diagnose wurde von einem Spezialisten gestellt, die hohen Kosten für Diagnose und Therapie musste sie selbst tragen. Noch schlimmer war für Selin aber die Erfahrung, dass ihr zuvor jahrelang gesagt worden war, ihre Schmerzen wären ganz normal.
Keine „Frauenkrankheit“
„Nur“ an starken Schmerzen zu leiden, reicht häufig nicht aus, um ernstgenommen zu werden, das bestätigt mir auch Luis*, Mitglied der Selbsthilfegruppe EndoQueer. Die Selbsthilfegruppe kontaktiere ich, weil mir immer wieder auffällt: Geht es um Endometriose, so sprechen wir, ob auf sozialen Medien oder im Menstruationsbericht, immer nur von cis Frauen. Dabei können auch Menschen mit einer nicht-binären, trans oder agender Geschlechtsidentität betroffen sein. Auch Luis bestätigt meine Wahrnehmung über die binäre Sprache rund um die Erkrankung: Endometriose werde gesellschaftlich nach wie vor als „Frauenkrankheit“ eingeordnet. Diese Einordnung trägt zum Ausschluss queerer Menschen von Behandlungen, aber auch zum Gender Data Gap bei – also dem Mangel an geschlechtsspezifischen Daten in der medizinischen Forschung, den die Bundesregierung schließen will. Luis berichtet auch von anderen Perspektiven queerer Personen, zum Beispiel könne Endometriose die von manchen queeren Personen empfundene Body- und Genderdysphorie beeinflussen. Zudem stehe im Diskurs über die Erkrankung und in Gesprächen mit Betroffenen häufig der unerfüllte Kinderwunsch im Fokus – auch, wenn Betroffene diesen Kinderwunsch vielleicht nie geäußert haben. Tatsächlich leiden viele Erkrankte in Folge einer Endometriose an Infertilität und empfinden deshalb großen Leidensdruck. Genauso wichtig sei es aber, betroffene Personen ohne Kinderwunsch ernstzunehmen.
Auffangnetze schaffen
Ebenso wie Queerness sind auch Körper und Krankheiten immer politisch. Krankheiten, die Frauen und queere Menschen betreffen, werden häufig nicht priorisiert und kleingeredet. Um der systematische Vereinzelung und Isolierung von Betroffenen etwas entgegenzusetzen, sei die Vernetzung von Erkrankten und das Sichtbarmachen der Krankheit wesentlich, so Verena Buck. Da sich die Krankheit so stark auf das gesamte Leben auswirken könne, beeinflusse sie natürlich auch unsere Beziehungen zu anderen, leider oft negativ. Im besten Fall könne sie aber auch zu engen Netzwerken führen, ergänzt Luis. Solche Netzwerke, ob in Form von Organisationen oder Selbsthilfegruppen, können ein Auffangnetz für Betroffene sein, die sich von Politik und Gesundheitssystem allein gelassen fühlen. Und ein erster Schritt sein, um Isolation in kollektives Handeln zu verwandeln.
Dieser Text erschien zuerst in an.schläge V/2025.
*Namen von der an.schläge-Redaktion auf Wunsch der Betroffenen geändert
Antonia Kranebitter lebt in Paris und studiert bald am Literaturinstitut in Hildesheim. Sie arbeitet als Dolmetscherin, Texterin und Übersetzerin, am liebsten zu queerfeministischen Themen.