Bi* open

Bi*sexuelle haben mit Diskriminierung von allen Seiten zu tun. Der Ausgrenzungserfahrung steht ein besonderes aktivistisches Potenzial entgegen. Von Katharina Payk

Menschenmenge mit Regenbogenfahnen, in der Mitte des Bildes ist die Bisexualität Pride Flagge
Bild: May H. Pham/Wikimedia, CC BY-SA 4.0

„Bi* ist ja gerade voll im Trend“, flüstert mir die Sitznachbarin zu, als bei einer queeren Veranstaltung darauf hingewiesen wird, dass es mehr als homo- und heterosexuelles Begehren gibt. Der Begriff Trend legt nahe, dass es sich bei bi* nur um eine Modeerscheinung oder Phase handeln würde. Vielen Menschen, die sich als bi*sexuell outen, wird unterstellt, dass dies nur eine Phase sei, deren erfolgreicher Abschluss dann entweder in einer heterosexuellen oder einer homosexuellen Selbstverortung kulminiere.

Weitere ignorante und degradierende Formulierungen kennen bi* Menschen nur zu gut: von „ein bisschen bi schadet nie“ und „du kannst dich doch nur nicht entscheiden“ bis zu der ständigen (Über-)Sexualisierung von bi*sexuellen Menschen („oh geil, Gruppensex“). Ob es angesichts solcher Zuschreibungen, mit denen man konfrontiert wird, wirklich im Trend liegt, sich zu outen – oder vielleicht doch eher ziemlich mutig ist –, sei dahingestellt.

Ausschluss

Bi*sexualität ist manchmal mitgemeint, z. B. im Akronym LGBTI der queeren Communities, aber oft auch (bewusst) ausgeschlossen, und zwar sowohl in der Mainstream-Welt als auch in der Homo-Szene: Mit bi*sexuellen Frauen beispielsweise kann man in der queer-feministischen/lesbischen Community oft nichts anfangen: Wer (auch) mit (cis) Männern schläft, kann ja nicht richtig queer sein. Verräterin. Eigentlich doch eine Hete. Der heteropatriarchale Mainstream ist da nicht besser. Auch hier überlegen sich Bi*sexuelle gut, ob sie damit herauskommen, dass sie auch mit Menschen des eigenen Geschlechts Sex haben bzw. Beziehungen führen. Besonders bi* Frauen wird bei einem solchen Outing oft postwendend ein Dreier angeboten. Männer unterstellen bi* Frauen gerne Nymphomanie und machen keinen großen Hehl daraus, dass sie in der bi* Frau ihre Porno-Gelüste befriedigt sehen: „Ich und zwei Frauen, das war schon immer mein Traum!“ Aufklärung tut also vielerorts not: Weder sind bi* Männer verkappte Schwule noch sind bi* Frauen eigentliche Heteras, die sich hin und wieder mal Sex mit einer Frau gönnen – am besten noch, um dem hetero Mann seine sexuellen Fantasien zu erfüllen.

Vielleicht ist diese allgegenwärtige Diskriminierung und der damit verbundene Mangel an Orten, wo man sich wohlfühlen kann, Schuld daran, dass bi*sexuelle Menschen diejenigen sind, die innerhalb der lesBiSchwulen Community am häufigsten von psychischen Erkrankungen betroffen sind. „Über bi* lebende Menschen gibt es viel weniger Forschung als über lesbische oder schwule Menschen. Wenn aber deutlich wird, dass eine Personengruppe auffällig schlechte Gesundheitsdaten hat, dann bedarf diese besonderer Aufmerksamkeit“, erklärt Renate Baumgartner im an.schläge-Interview. Renate Baumgartner ist Bi*-Aktivistin in Wien und forscht zur Gesundheit bi*sexueller Frauen. „Fast fünfzig Prozent der bi*sexuellen Frauen in den USA leiden an schweren psychischen Belastungen, diese äußern sich z. B. als Depressionen oder Angststörungen. Diese Häufigkeit ist gravierender als bei heterosexuellen Frauen und bei lesbischen Frauen. Auch von Gewalterfahrungen sind bi*sexuelle Frauen häufiger betroffen, vor allem, wenn es um Gewalt im Nahbereich durch Männer geht“, berichtet Baumgartner.

Nicht binär

Bi*sexuelle sind keine monolithische Gruppe, deren Angehörige auf gleichsam „Männer und Frauen“ stehen. Wer sich als bi* bezeichnet, ist sehr divers, auch wie „bi*“ verstanden wird, ist unterschiedlich. Eine geeignete Definition, um die Binaritäten des Begriffs zu vermeiden, gibt die Bi*-Aktivistin Robyn Ochs: „I call myself bisexual because I acknowledge that I have in myself the potential to be attracted – romantically and/or sexually – to people of more than one sex and/or gender, not necessarily at the same time, not necessarily in the same way, and not necessarily to the same degree.“ Darin wird auch deutlich, dass die Intensitäten und die Häufigkeiten, sich in ein Geschlecht oder ein anderes zu verlieben, sehr unterschiedlich sein können.

Viele Menschen verwenden für sich lieber die Bezeichnung pansexuell (pan = alles, ganz) oder sprechen von sexueller Fluidität. Für manche ist „bi*sexuell“ aber ein politisch aufgeladener Begriff, ähnlich wie „lesbisch“, und daher weiterhin für aktivistische Forderungen zu beanspruchen. So auch für Renate Baumgartner: „Gerade weil Bi* so ein streitbarer Begriff ist und man viel darüber diskutieren kann, finde ich diese Form der Benennung immer noch aktuell und politisch.“ In ihrer Studie, wo das erste Mal in Österreich Frauen* zu Wort kommen, die Beziehungserfahrungen mit mehr als einem Gender haben, sei das Wort bi*sexuell so gut wie nie gefallen. „Es ist ein Wort, das nicht gern verwendet wird“, so Baumgartner. Vor allem den Anspruch, man müsse sich letztendlich für eine konkrete Seite (homo oder hetero) entscheiden, haben viele bi* Menschen internalisiert. Ambivalenz, Unentschiedenheit – die Stigmatisierung als unvollkommene_r Beziehungspartner_in wird von vielen für sich selbst übernommen, bi*sexuelle Menschen empfinden sich oft als beziehungsunfähig bzw. als schlechte_n Partner_in.

Offenheit

Bi* – verstanden im Sinne einer Pan*sexualität – hat grundsätzlich eine Fluidität in sich: „Ich glaube, dass die Bi* Community die größte Offenheit für Trans* und Inter* hat und inklusiv ist gegenüber non-binären Gendern. Wir verlieben uns nicht in das Geschlecht, sondern in die Person an sich“, erklärt Dita D.* gegenüber an.schläge. Dita ist Mitbegründerin der Wiener Bi*-Gruppe „No*Monos“, die sich seit zwei Jahren einmal im Monat zum Austauschen trifft.

Bi*sexuelle Menschen leben monogam, polyamor (d. h. etwa auch in Mehrfachbeziehungen) oder in offenen Beziehungen. „In unsere Bi*-Gruppe kommen Menschen aller Gender, viele darunter sind wiederum für alle Gender offen. Wir leben unterschiedliche Beziehungskonzepte und kommen als verschiedene Körper – dicke, dünne, (nicht-) behinderte, inter* usw. Auch sind wir eine Anlaufstelle für Leute, die sich unsicher in ihrer sexuellen Orientierung sind; sie sind das Q, das ‚Questioning’ im LGBTIQ-Akronym“, erklärt Dita D. weiter.

Räume

Bis 2015 gab es in Wien keinerlei Vereinigung bi*sexueller Menschen. Zum Vergleich: In vielen Städten und Ländern, beispielsweise im anglo-amerikanischen Sprachraum, gibt es seit rund dreißig Jahren Gruppen und Kontaktstellen für Bi*s. In Wien gründeten sich 2015 gleich zwei Gruppen: Die „VisiBIlity Austria“ ist ein Verein, der sich besonders für Sichtbarkeit von bi*sexuellen Menschen sowohl in der Queer-Community als auch außerhalb einsetzt und zum Vernetzen einlädt, während die „No*Monos“ sich vor allem als off ene, aber nicht öffentliche Gruppe sehen, wo auch „nicht Geoutete“ hinkommen.

Renate Baumgartner ist in beiden Gruppen aktiv und bietet zudem Workshops zum Thema Bi* an. „Bi* Menschen brauchen dringend Räume, wo sie sich wohlfühlen und sie selbst sein können, möglichst ohne Diskriminierung“, sagt die Aktivistin.

* Name von der Redaktion geändert

Zum Weiterlesen:
Renate Baumgartner:  ‘I think I’m not a relationship person’: Bisexual women’s accounts of (internalised) binegativity in nonmonogamous relationship narratives, in: Psychology of Sexualities Review, 8/2, 2017
Shiri Eisner: Bi. Notes for a Bisexual Revolution, Seal Press 2013

Dieser Text erschien zuerst in an.schläge VIII/2017.

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