Solidarische Kampfansage

Wir müssen unsere Kräfte in die richtige Richtung bündeln. Ein Kommentar von Katharina Payk

Menschenmenge auf einer Brücke mit Rauchfackeln in Regenbogenfarben, auf der Brücke hängt ein großes Transparent mit dem Text "Queer Solidarity Smashes Borders"
Foto: Lesbians and Gays Support the Migrants/Flickr – Queer Solidarity Smashes Borders , CC BY-SA 2.0

Solidarität ist in Zeiten wie diesen ein wichtiges Stichwort. Aber offensichtlich wissen viele, die sich in linken, feministischen, lesBischwultrans bewegten Kreisen verorten, nichts mehr mit diesem Konzept anzufangen.

Solidarität – mit wem? Die Grenzen werden immer enger. Auf sich lesbisch verortende Frauen* wird mit dem Finger gezeigt: Marke Uralt, „Oldschool-Lesbe“ – als wäre queer als Ersatz für lesbisch erfunden worden. Gleichzeitig sprechen manche Frauen anderen das Frausein ab: Frauen (mit Transbiografien) werden aus Frauenräumen ausgeschlossen.

Und sogar das Transsein wird manchen trans* Menschen abgesprochen: Diejenigen, die das tun, sprechen von richtiger und falscher Transidentität. Wer sich nicht eindeutig als Mann oder als Frau verortet, wer vielleicht keine körperlichen „Änderungen“ bzw. Angleichungen anstrebt, sollte etwa kein Recht auf Namens- und Personenstandsänderung haben?

Menschen wiederum, die sich selbst als Transsexuelle bezeichnen, werden ermahnt, dass die Bezeichnung Transsexuelle nicht mehr zeitgemäß sei – dies sogar durch cis (d. h. nicht-trans) Personen.

Kritik an anderen geht leicht. Dabei ist die Fähigkeit, andere auf ihre blinden Flecken hinzuweisen, ja meist das Ergebnis des eigenen (feministischen) Lernprozesses, der nicht immer ein Gender-Studies-Studium als Grundlage haben muss.

Transkämpfe müssen selbstverständlicher Teil unserer feministischen Kämpfe sein, schließlich geht es um Sexismus gegenüber marginalisierten Geschlechtern. Aber schlussendlich geht der Feminismus auch nicht nur in Transthemen auf. Sie sind verschränkt mit anderen feministischen Anliegen wie dem Aufbegehren gegen Rassismus, Klassismus, Homo- und Behindertenfeindlichkeit und gegen die Herabwürdigung von älteren Menschen zum Beispiel.

Solidarität ist übrigens gewaltfrei. Diejenigen zu bekämpfen und zu beschimpfen, die einer_m näher sind als das riesengroße (hetero-)sexistische System, näher als die vielfach rassistische Politik der Parteien, als die Ignoranz der öffentlichen Stellen gegenüber Menschen mit Behinderungen, ist immer einfacher, als dem Establishment selbst den Kampf anzusagen.

Ein „Wir“ zu finden, das sich auf nur minimalste gemeinsame Nenner beruft, ist auch einfacher, als die Vielfalt in den eigenen Reihen zu akzeptieren. Ausschlüsse – die im Übrigen nie zu vermeiden, jedoch zu reduzieren sind – sind dann vorprogrammiert: Die darf keine Frau sein, der nicht trans. Die ist ja nicht wirklich queer, der nicht schwul genug. Das ist jetzt aber zu feministisch, das geht zu weit. Ich bin ja viel behinderter als Behinderte, die nehmen mir meine Rechte weg, das kannst du so nicht sagen, man wird ja wohl noch heiraten dürfen, man wird ja wohl noch weiß sein dürfen, das geht jetzt aber wirklich zu weit …

Wir haben gelernt, dass es ein „Wir“ nicht mehr gibt. Weil wir alle zu verschieden sind. Richtig. Aber Hand aufs Herz, wer fühlt es nicht, wer braucht es nicht, das „Wir“, um dieser gewaltvollen, neoliberalistischen, kapitalistischen Welt den feministischen Kampf anzusagen? Wer aber fühlt sich dabei nicht ermüdet und gebremst von den „eigenen Reihen“? Linke Kollektive lösen sich auf, weil sie der oft in gewaltvollem Sprech vorgetragenen Kritik aus der Szene nicht mehr standhalten können.

Und nein, ein Buch wie „Beißreflexe“, der umstrittene Sammelband zu Kritik an autoritären Praxen in der queeren Szene, ist kein ernstzunehmender, konstruktiver Beitrag zur Klärung des aufgewühlten Wassers. Es bestätigt vielmehr die Kritik der vorausgenommenen/angesprochenen Kritiker_innen. Schade also, dass hier alle Seiten weit übers Ziel hinausschießen: Die einen bashen, die anderen bashen zurück.

Vielleicht sollten wir unser Solidaritätsprinzip, das „Wir“ (das es natürlich gar nicht gibt) mehr an unseren Zielen ausrichten, mehr an dem, was wir erreichen wollen, als an der Frage, was im Detail wir gemeinsam haben. Die Kräfte in die richtige Richtung bündeln, anstatt uns gegenseitig das Blut auszusaugen, was übrigens ganz ohne Beißreflexe geht.

* Frau ist für mich, wer sich als Frau definiert.

Dieser Text erschien zuerst in an.schläge V/2017.

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