Patient*innen haben Rechte!
Wer in Österreich eine Ärztin aufsucht oder im Krankenhaus behandelt wird, ist durch Patient*innenrechte geschützt. Was aber tun, wenn es zu Problemen kommt? Ein Überblick von Brigitte Theißl
Das ist die Zusammenfassung von einem Text über die Rechte von Patient*innen in Österreich. Die Journalistin Brigitte Theißl hat den Text geschrieben.
Wer in Österreich zum Arzt oder zur Ärztin geht, hat als Patient*in Rechte. Für die Patient*innen-Rechte gibt es verschiedene Gesetze. Eine wichtige Vereinbarung ist die Patientencharta. Darin geht es um wichtige Patient*innen-Rechte. Zum Beispiel muss jeder Mensch behandelt werden, egal wie alt er ist oder welches Geschlecht er hat. Außerdem gibt es das Recht auf Selbstbestimmung und Information: Ärzt*innen müssen Patient*innen über die Risiken, Folgen und Kosten der Behandlung aufklären. Und Patient*innen müssen der Behandlung zustimmen.
Doch es gibt Patient*innen, die schlechte Erfahrungen bei Ärzt*innen machen. Zum Beispiel wegen einem Behandlungs-Fehler. Wer eine schlechte Erfahrung macht, kann sich an die Pflege- und Patientenanwaltschaft wenden. Eine Pflege- und Patientenanwaltschaft gibt es in Österreich in jedem Bundesland. Sie berät kostenlos und kann Schadenersatz für Patient*innen erreichen. Patient*innen können sich auch mit Beschwerden an die Pflege- und Patientenanwaltschaft wenden. Zum Beispiel, wenn eine Operation oft verschoben wurde.
Obwohl Patient*innen Rechte haben, gibt es noch Hürden in der Gesundheits-Versorgung. Zum Beispiel für Menschen mit Behinderungen oder für Menschen ohne Krankenversicherung. Und auch für versicherte Menschen gibt es in Österreich oft zu wenige Ärzt*innen mit Kassenvertrag. Es muss sich noch vieles ändern, damit alle Menschen in Österreich eine gute Gesundheits-Versorgung bekommen.
Brigitte Theißl hat diese Zusammenfassung geschrieben. Hast du Fragen zum Text? Schreib an die Redaktion: be(at)ourbodies.at
Das Ziehen und Stechen im Bauch wird immer stärker, Schweißtropfen bilden sich auf der Stirn. Ist es der Blinddarm? Vielleicht sogar ein Notfall? Wer nachts in diesem Zustand in die Notfallambulanz kommt, möchte möglichst schnell behandelt werden – und macht sich vermutlich kaum Gedanken darüber, ob die zuständige Ärztin wohlüberlegt und rücksichtsvoll handelt. Aber auch, wenn Menschen ausgeruht zur Vorsorgeuntersuchung erscheinen, besteht immer noch ein Gefälle zwischen Ärzt*innen und ihren Patient*innen. Mediziner*innen verfügen über umfangreiches Fachwissen – und damit auch über Autorität.
Patient*innen sind ihnen deshalb aber nicht völlig ausgeliefert. Verschiedene Gesetze in Österreich schützen ihre Rechte gegenüber Gesundheitseinrichtungen und Angehörigen von Gesundheitsberufen – dazu zählen neben Ärzt*innen etwa auch Hebammen, Rettungsdienste, Physiotherapeut*innen und Pflegekräfte.
Patientencharta: grundlegende Rechte
Wenn es um die rechtliche Verankerung von Patient*innenrechten in all ihrer Vielfalt geht, wird es ganz schön kompliziert: Sie sind in zahlreichen Bundes- und Landesgesetzen sowie berufsrechtlichen Bestimmungen festgeschrieben. Ein wichtiger Anhaltspunkt ist aber die Patientencharta, die grundlegende Patient*innenrechte in Österreich beschreibt. „Die Persönlichkeitsrechte der Patienten und Patientinnen sind besonders zu schützen. Ihre Menschenwürde ist unter allen Umständen zu achten und zu wahren“, heißt es dort. Abschnitt 2, der das „Recht auf Pflege und Behandlung“ umfasst, verpflichtet die Anbieter, Gesundheitsleistungen „für alle Patienten und Patientinnen ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts, der Herkunft, des Vermögens, des Religionsbekenntnisses, der Art und Ursache der Erkrankung oder Ähnliches rechtzeitig sicherzustellen“. Nicht alle Diskriminierungsformen werden hier erwähnt, doch allgemein gilt: Ärzt*innen dürfen Menschen aufgrund persönlicher Merkmale keine schlechtere Behandlung zukommen lassen, erklärt Helga Willinger von der Wiener Pflege- und Patient*innenanwaltschaft (WPPA).
Auch das Recht auf Selbstbestimmung und Information ist im Rahmen einer medizinischen Behandlung ganz zentral. So haben Patient*innen etwa das Recht, vorab umfassend über Behandlungsarten, über Risiken und Folgen sowie entstehende Kosten aufgeklärt zu werden. Und: Sie dürfen nur mit ihrer Zustimmung behandelt werden – außer das ist aufgrund einer lebens- oder gesundheitsgefährdenden Lage nicht rechtzeitig möglich.
Patient*innenanwälte als Anlaufstelle
Was aber, wenn ich mich beim Arzt schlecht behandelt fühle, wenn mir eine Schmerztherapie verwehrt wurde oder ich nach einem Eingriff mit unerwarteten gesundheitlichen Problemen zu kämpfen habe? Eine wichtige Anlaufstelle sind hier die Patienten- und Pflegeanwaltschaften, die in jedem Bundesland Österreichs zu finden sind. Sie vertreten die Interessen von Patient*innen, sind nicht weisungsgebunden (arbeiten also unabhängig) und bieten ihre Leistungen kostenlos an. „Die Einrichtung von Patientenanwaltschaften war enorm wichtig, um die Rechte von Patient*innen zu stärken“, sagt Helga Willinger.
Die Mitarbeiter*innen der Patientenanwaltschaft beraten, klären auf – und unterstützen bei der außergerichtlichen Streitbeilegung nach Behandlungs- oder Pflegefehlern. Wer eigenständig vor Gericht klagt, weil eine Knieoperation schief gegangen ist, geht unter Umständen ein hohes Kostenrisiko ein. Die Patientenanwaltschaft vermittelt ohne Hilfe eines Gerichts und kann auch Schadenersatz erwirken. Seit ihrer Gründung im Jahr 1992 hat die WPPA laut eigener Angabe im Jahresbericht 2023 finanzielle Entschädigungen von rund 72,8 Millionen Euro für Patient*innen erstritten.
„Ein Großteil unserer Fälle betrifft Behandlungsfehler“, sagt Helga Willinger. Das kann etwa eine Operation betreffen, oder aber eine verspätete Brustkrebsdiagnose, da der Befund zu einer Mammografie falsch gestellt wurde. Ein tatsächliches Fehlverhalten festzustellen, sei keineswegs einfach, erklärt Willinger. Dazu brauche es alle relevanten Unterlagen und Befunde, spezielle Gutachten müssen eingeholt werden.
Helga Willinger empfiehlt, Befunde und sämtliche Dokumente, die man bei niedergelassenen Ärzt*innen oder im Krankenhaus bekommt, aufzuheben. Auch ein niedergeschriebenes Gedächtnisprotokoll kann im Zweifelsfall weiterhelfen.
Missstände im Gesundheitssystem
Patient*innenanwaltschaften nehmen aber auch Beschwerden entgegen – etwa über die wiederholte Verschiebung von Operationen aufgrund von Personalmangel oder die Unterversorgung von Long-Covid-Betroffenen und dokumentieren so Missstände im Gesundheitssystem. „Zahlreiche Beschwerden an die WPPA zeigten, dass Long-Covid-Patient*innen ein grob mangelhaftes Versorgungsangebot beanstanden“, ist im Jahresbericht 2023 zu lesen. Mängel wurden auch bei der Behandlung von trans Personen festgestellt, die auf operative Eingriffe warten: „Transgenderpatient*innen beklagten, dass es häufig zu Verzögerungen der geplanten Operationen (Gebärmutterentfernung; Brustentfernung) und damit zu Finanzierungsproblemen mit der befristeten ÖGK-Bewilligung komme“, heißt es im Bericht. Abseits der Patientenanwaltschaften bietet auch die Arbeiterkammer Unterstützung für ihre Mitglieder an. Auf der Ebene der Krankenversicherungen können Patient*innen sich wiederum an die jeweiligen Ombudsstellen wenden, wenn sie Probleme mit ihrer gesetzlichen Krankenversicherung haben (ÖGK, BVAEB, SVS).
Wie sieht es eigentlich mit Patient*innenrechten für Menschen mit Behinderungen aus? Auf Our-Bodies-Anfrage schildert Rudolf Kravanja, Präsident des Bundesverbands für Menschen mit Behinderungen, Hürden im Behandlungsalltag. Damit Menschen mit Behinderungen ihre Patient*innenrechte wahrnehmen können, brauche es nicht nur barrierefreie Gebäude, sagt Kravanja. Wichtig sei eine Sensibilisierung des gesamten Gesundheitspersonals: „Zum Beispiel werden in Krankenanstalten die persönlichen Assistent*innen angesprochen statt die Patient*innen selbst. Und auch beim Bereitstellen von Gebärdendolmetschen kommt es immer wieder zu Problemen. Hier könnte man noch einiges verbessern.“
Für die Gesundheitspolitik in Österreich bleibt es eine zentrale Herausforderung, eine qualitative hochwertige Gesundheitsversorgung für alle Menschen bereitzustellen. Eine weitere Barriere ist etwa die Mehrklassen-Medizin, die sich zunehmend herausbildet: Wer über die nötigen finanziellen Mittel verfügt und Privat- oder Wahlärzt*innen aufsuchen kann, wird oft schneller behandelt, auch ist das medizinische Personal meist in der Lage, den (Privat-)Patient*innen mehr Zeit zu widmen. Ein Mangel an Kassenärzt*innen schlägt sich aktuell unter anderem in der Gynäkologie, Psychiatrie und der Kinder- und Jugendheilkunde nieder und trifft so besonders vulnerable Gruppen.
Pflichtleistungen der Krankenversicherung
Rechte von Patient*innen entstehen auch gegenüber ihrer Versicherung. Die allermeisten Menschen in Österreich sind krankenversichert, rund 98 Prozent der Bevölkerung sind aufgrund der gesetzlichen Pflichtversicherung durch eine Krankenversicherung geschützt. Sogenannte Pflichtleistungen wie eine Spitalspflege oder das Krankengeld können eingeklagt werden. Auf freiwillige Leistungen wie zum Beispiel einen Kuraufenthalt besteht hingegen kein Recht.
Wer bei der ÖGK, der größten Krankenkasse in Österreich versichert ist, darf pro Quartal und Fachrichtung eine Ärztin/ein Arzt (auch mehrmals) aufsuchen, Überweisung braucht es dafür keine. Hat man beispielsweise bei einem Gynäkologen eine schlechte Erfahrung gemacht, gibt es allerdings die Möglichkeit, auch vor Ablauf des Quartals zu einer anderen Gynäkologin zu wechseln. Nötig ist dafür ein Anruf bei der ÖGK, in einem Gespräch mit dem medizinischen Dienst erfolgt eine Klärung und die versicherte Person wird dann für einen möglichen Wechsel freigeschaltet, heißt es auf Anfrage.
Versorgung ohne Versicherung
Nicht alle Menschen, die in Österreich leben, sind aber von einer Krankenversicherung geschützt – das kann zum Beispiel obdachlose Menschen betreffen, aber auch Personen mit festem Wohnsitz, die nach einer Trennung die Mitversicherung bei ihrem*ihrer Partner*in verlieren oder Menschen, die von ihrem Arbeitgeber nicht versichert wurden. Für sie ist eine medizinische Versorgung über eine Notfallbehandlung hinaus mit besonders vielen Hürden verbunden. Zentrale Anlaufstellen bilden hier Einrichtungen, die Nichtversicherte kostenlos in verschiedenen Fachrichtungen behandeln. In Wien sind das zum Beispiel Ambermed und das neunerhaus, auch in anderen Bundesländern sind solche Einrichtungen zu finden: so etwa die Marienambulanz in Graz, die Virgilambulanz in Salzburg oder Medcare in Innsbruck.
„Die Wahrung der Menschenwürde ist enorm wichtig bei der medizinischen Behandlung“, sagt Stephan Leick, ärztlicher Leiter des neunerhaus Gesundheitszentrums. Seit 2006 bietet neunerhaus kostenlose medizinische Versorgung für obdach- und wohnungslose sowie nichtversicherte Menschen, pro Jahr werden im Gesundheitszentrum in der Margaretenstraße rund 6.000 Menschen behandelt. „Bei uns müssen sich Menschen nicht ausweisen, sie müssen uns nicht einmal ihren Namen nennen, wenn sie das nicht wollen“, erzählt Leick. Viele Patient*innen, die ins Gesundheitszentrum kommen, sprechen weder Deutsch noch Englisch, in diesem Fall wird etwa auf Videodolmetsch zurückgegriffen. „Alle Menschen haben das gleiche Recht, behandelt und über ihre gesundheitliche Situation und Therapiemöglichkeiten aufgeklärt zu werden – und zwar bestmöglich verständlich und wertschätzend“, sagt Leick.