Queer Fitness

Jo Demian Proksch macht Kampfkunst, hat kürzlich eine Leidenschaft für Krafttraining entdeckt und will queer-friendly Selbstverteidigungskurse anbieten. Protokoll: Bettina Enzenhofer

Porträtfoto von Jo Demian Proksch. Jo hat kurze, blondierte Haare, lächelt in die Kamera und trägt einen schwarzen Pullover mit der Aufschrift "Decolonizing Fitness". Im Hintergrund liegen Hanteln.
Jo Demian Proksch © Noah Damian Safranek

Inhalt in Einfacher Sprache

Das ist ein persönlicher Text. Jo Demian Proksch erzählt von seiner Leidenschaft: Fitness und Kampfkunst. Bewegung ist gut für Jo und Jos Widerstands-Kraft. Jo hat schon mit 7 Jahren mit Kampfkunst begonnen. Mittlerweile macht Jo auch Krafttraining und geht 4-mal pro Woche in ein Fitnessstudio. Im Fitnessstudio gab es früher Probleme für Jo: Es gibt nur Garderoben für Frauen und für Männer. Früher hatte Jo Brüste. Das war seltsam in der Männer-Garderobe. Seit Jo keine Brüste mehr hat, ist das besser. Jo hat heute Spaß im Fitnessstudio.
Jo erzählt auch von Selbstverteidigung. Denn viele Leute glauben: Wer Kampfkunst oder Kampfsport macht, kann sich bei einem Angriff selbst verteidigen. Aber das stimmt nicht. Deshalb wird Jo bald einen eigenen Kurs anbieten: einen Selbstverteidigungs-Kurs für queere Personen. Dieser Kurs soll ein sicherer Ort sein für trans, inter, und nicht-binäre Personen, für Lesben und Schwule. Denn queere Personen werden in der Öffentlichkeit immer wieder angegriffen. Für sie kann es sehr wichtig sein, dass sie sich selbst verteidigen können.

Diese Kurzfassung hat geschrieben: Bettina Enzenhofer
Wenn du zum Text eine Frage hast: schreib an be(at)ourbodies.at

„Fitness und Kampfkunst sind wichtige Themen in meinem Leben. Oft werden die Begriffe Kampfkunst, Kampfsport und Selbstverteidigung in einen Topf geworden, aber es gibt frappante Unterschiede. In der Kampfkunst geht es zum Beispiel um Charakterbildung – egal welche Identität du hast. Es geht darum, dich selbst nicht zu wichtig, aber doch ernst zu nehmen und nicht darum, dass du Leistung bringen musst. Demgegenüber geht es im Kampfsport um Punkte machen, um gewinnen. Das geht nicht mit den Prinzipien von Kampfkunst zusammen. 

Meditation in Bewegung

Ich habe mit sieben Jahren mit Kampfkunst begonnen, genauer genommen mit Karate. Das habe ich sehr, sehr lange gemacht, Karate ist eine gute Basis für vieles andere. Später habe ich mich auch für andere Kampfkünste interessiert (Kali, Boxen, BJJ), bis ich letztendlich bei Kung Fu gelandet und lange dabeigeblieben bin. Kampfkünste sind für mich Meditation in Bewegung. Bewegung ist mein Weg zur Selbstfindung. 

Bodybuilding Klischees

Derzeit ist mein primärer Bewegungsausgleich aber nicht Kampfkunst, sondern Krafttraining. Mir einzugestehen, dass mir Krafttraining im Fitnessstudio Spaß macht, hat lange gedauert. Obwohl ich die Fitnesstrainer-Ausbildung gemacht habe, wollte ich es immer vermeiden, ins Fitnessstudio zu gehen. Ich habe es zwar vor meiner Transition immer wieder ausprobiert, bin aber nie dabeigeblieben. Jahre später kann ich sagen: Ich wollte nicht facen, dass es mir Spaß macht, und dass mein Fitnessstudio-Bashing etwas mit meinem Körperbild und Empfinden zu tun hatte. Ich hatte immer dieses Klischee im Kopf: Bodybuilding wäre nicht mehr als Herumpumpen. Du hast bei Bodybuilder*innen nur Extremsportler*innen im Kopf. Aber das muss nicht so sein, es gibt auch ganz viel davor.

Binäre Fitnessstudios

Zu Anfang meiner Transition kam der erste Lockdown, ich war viel alleine. Als es dann wieder möglich war, ins Fitnessstudio zu gehen, habe ich das vielleicht fünfmal gemacht. Meine Stimme war noch nicht ganz gesettelt, die Mastektomie hatte ich auch noch vor mir, aber der Personenstand war schon durch. Ich konnte also in die entsprechende Garderobe gehen, auch wenn die leider immer binär sind. Ich bin zu „M“ gegangen, das war schon seltsam. Ich bin mit einem weiten Pulli reingegangen, habe schnell die Hose gewechselt und immer in der Ecke trainiert.

Nach meiner Mastektomie hatte ich eine Post-OP-Depression. Ich bin ziemlich versunken und habe geglaubt, ich würde mich nie wieder in meinem Leben bewegen. Und ich würde niemals so ausschauen, wie ich mich fühle – selbst nach der Mastek hat mein Spiegelbild nicht dazu gepasst, ich hatte Body Dysmorphia. Ich wusste damals aber auch, dass ich mich da rausholen muss. Ich habe die Sache mit dem Fitnessstudio also erneut probiert und einen Kumpel gefragt, ob wir gemeinsam ins Studio gehen wollen. Das hat mich wieder rausgebracht. Ich war so weit in meiner Transition, dass ich stealth sein konnte, also als Mann durchgegangen bin, ich habe mich wohlgefühlt in der Garderobe. Das ist jetzt ein Jahr her und seitdem gehe ich an vier Tagen pro Woche ins Fitnessstudio. Es macht mir tatsächlich Spaß! Diese Regelmäßigkeit und der Wille, dort hinzugehen, egal wie dicht mein Tag ist, bringt viel für meine innere Resilienz. 

Heute trainiere ich auch nicht mehr in der Ecke. Letztens war ich sogar in der Sauna, man kann ja das Handtuch um die Hüfte tragen. Das war ein ziemlicher Step. 

Queer-friendly Selbstverteidigung

Ich habe die Idee, in naher Zukunft einen queer-friendly Selbstverteidigungskurs anzubieten. Ich habe vor Corona schon unterrichtet, aber damit aufgehört, weil es mir zu viel geworden ist. Jetzt habe ich wieder Lust darauf. Für queer individuals ist es nicht einfach, in Kurse zu gehen, wenn man nicht weiß, dass es ein Safe Space ist – wie bei vielen anderen Dingen auch. Es braucht Fitnessstudios und -kurse, wo nicht alles so binär ist. Ich als trans Mensch kann ein Publikum mit einem Thema erreichen, das für alle wichtig ist. Vielleicht sogar speziell für queer individuals, weil das Risiko höher ist, dass die assaulted werden. In den letzten Monaten ist mir die Wichtigkeit eines solchen Ortes immer bewusster geworden. Ich finde super, dass in Wien nun Queer Muscle aufgemacht hat. Solche Orte braucht es einfach.

Bei Selbstverteidigung ist wichtig: sie muss für alle funktionieren, zum Beispiel auch für ältere Menschen oder Kinder. Und du musst nach der ersten Stunde wissen, was man im Ernstfall tun kann. 

Gewappnet für den Ernstfall?

Für Selbstverteidigung bringt es übrigens nichts, wenn du eine Kampfkunst oder einen Kampfsport super lernst. Viele denken: Wenn sie eine Kampfkunst machen, können sie sich gleich im Ernstfall bei einem Übergriff verteidigen und safe aus dieser Sache rauskommen. Dieser Gedanke ist leider in dieser Kampfsportwelt sehr propagiert. Das ist so ein Label: „Wir kämpfen“ heißt „wir können uns verteidigen“. Dann werden oft so Situationen geübt: Was ist wenn mich einer soundso angreift, alles körperlich. Aber ein Angriff ist auch verbal! Darauf bereitet dich niemand vor – weder in der Kampfkunst, noch im Kampfsport. Wenn du glaubst, im Ernstfall gewappnet zu sein, nur weil du 13 Jahre Karate gemacht hast, kann das auch gefährlich sein. Du bist für den Ernstfall einfach nicht gewappnet. Eine ähnliche Erfahrung habe ich selbst gemacht: ich war so überzeugt von meinem Karate, doch dann war ich mal woanders trainieren. Die hatten andere Ansätze im Sparring („freieres“ Kämpfen) und waren viel chaotischer, spontaner, schneller … Also unberechenbarer, das heißt auch: realitätsnäher. Ich habe viele Schläge ins Gesicht bekommen. Da hat es bei mir Klick gemacht: in Karate trainierst du nur ganz spezifisch. Diese Differenzierung und Klarheit hat mir viel gebracht.

Auch wenn die Kampfkunst bei mir gerade in den Hintergrund gerückt ist: meine Geisteshaltung ist noch dabei. Eines meiner Ziele im Leben ist, mit 90 noch Kung Fu zu machen.“

Jo Demian Proksch ist Puppenspieler, Kampfkünstler und liebt seinen Nackthund Beemo.

Inhalt in Einfacher Sprache

Das ist ein persönlicher Text. Jo Demian Proksch erzählt von seiner Leidenschaft: Fitness und Kampfkunst. Bewegung ist gut für Jo und Jos Widerstands-Kraft. Jo hat schon mit 7 Jahren mit Kampfkunst begonnen. Mittlerweile macht Jo auch Krafttraining und geht 4-mal pro Woche in ein Fitnessstudio. Im Fitnessstudio gab es früher Probleme für Jo: Es gibt nur Garderoben für Frauen und für Männer. Früher hatte Jo Brüste. Das war seltsam in der Männer-Garderobe. Seit Jo keine Brüste mehr hat, ist das besser. Jo hat heute Spaß im Fitnessstudio.
Jo erzählt auch von Selbstverteidigung. Denn viele Leute glauben: Wer Kampfkunst oder Kampfsport macht, kann sich bei einem Angriff selbst verteidigen. Aber das stimmt nicht. Deshalb wird Jo bald einen eigenen Kurs anbieten: einen Selbstverteidigungs-Kurs für queere Personen. Dieser Kurs soll ein sicherer Ort sein für trans, inter, und nicht-binäre Personen, für Lesben und Schwule. Denn queere Personen werden in der Öffentlichkeit immer wieder angegriffen. Für sie kann es sehr wichtig sein, dass sie sich selbst verteidigen können.

Diese Kurzfassung hat geschrieben: Bettina Enzenhofer
Wenn du zum Text eine Frage hast: schreib an be(at)ourbodies.at

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