Warm, satt, sauber

Pflege ist ein essenzieller Teil eines funktionieren Gesundheitssystems – die Arbeitsbedingungen sind jedoch alles andere als rosig. Von Naz Küçüktekin

Graffito einer Person in medizinischer Schutzkleidung
Foto: Matthew Waring / Unsplash

Inhalt in Einfacher Sprache

Das ist die Zusammenfassung von einem Text über die schlechten Arbeits-Bedingungen von Pflegekräften. Die Journalistin Naz Küçüktekin hat den Text geschrieben.
In der Pflege gibt es viele Probleme: Es gibt zum Beispiel zu wenige Pflegekräfte. Eine Pflegekraft hat sehr viele Aufgaben und viel Stress. Manchmal schafft sie nicht alle Aufgaben. Darunter leiden die Patient:innen und die Pflegekräfte. Die Pflege-Assistentin Angelika P. sagt: „Wenn man nur zu zweit für 26 Patienten zuständig ist, ist das ein Pflegenotstand.“ 
Angelika P. hat früher Vollzeit gearbeitet. Das war ihr zu viel. Heute arbeitet sie 30 Stunden pro Woche. Dafür verdient sie 2.000 Euro pro Monat. Sie sagt: „Die Bezahlung ist absurd gering.“ Denn sie hat viel Verantwortung in ihrem Beruf.
In Pflege-Berufen arbeiten meistens Frauen. Berufe mit einem hohen Frauen-Anteil sind schlechter bezahlt als Berufe mit hohem Männer-Anteil. Manche Menschen glauben: Pflegekräfte sind nicht so wichtig wie zum Beispiel Ärzt:innen. Oder: Der Pflege-Beruf ist ein einfacher Beruf. Aber der Pflege-Beruf ist genauso anspruchsvoll wie andere Berufe im Gesundheits-Bereich. Und für die Gesundheit von Patient:innen sind alle diese Berufe wichtig.
Angelika P. liebt ihren Job trotz allem. Aber sie wird ihn nicht bis zur Pension machen können.

Bettina Enzenhofer hat diese Zusammenfassung geschrieben. Hast du Fragen zum Text? Schreib an die Redaktion: be(at)ourbodies.at

In der Pandemie standen sie plötzlich im Vordergrund. Sie waren die neu entdeckten Held:innen, unverzichtbar, im Einsatz für unser aller Wohl. Am Höhepunkt der Coronakrise wurde auch für sie einmal am Tag von den Lockdown-Balkonen enthusiastisch geklatscht. Inzwischen steht das Pflegepersonal längst nicht mehr im Scheinwerferlicht – der Arbeitsdruck auf das Pflegepersonal hat jedoch kaum nachgelassen. Ein Mangel an Personal und prekäre Arbeitsbedingungen gehören zum Berufsalltag.

Das kann Angelika P. nur bestätigen. Seit 2017 ist sie als Pflegeassistentin tätig, seit circa zwei Jahren arbeitet sie in einem Wiener Krankenhaus auf einer Station, die auf Akutgeriatrie und Remobilisierung spezialisiert ist. Dreißig Stunden in der Woche übt Angelika P. den Job aus. In ihrer vorherigen Stelle war sie noch Vollzeit beschäftigt, das wurde ihr mit der Zeit aber zu viel. „Ich bewundere alle Kollegen und Kolleginnen, die vierzig Stunden und auch darüber hinaus schaffen“, sagt sie. 

Mehr als nur Patient:innen waschen

Zum Berufsalltag der Pflegeassistentin gehören unter anderem für die Körperhygiene der Patient:innen zu sorgen, Vitalzeichen zu überprüfen, Medikamente zu verabreichen sowie die Dokumentation der Abläufe. Der persönliche Kontakt und die Kommunikation mit den Patient:innen sind für Angelika P. ebenfalls essenzielle Teile ihres Jobs. „Zeitdruck ist aber leider immer wieder ein Thema. Wenn man acht Patienten waschen muss, bei jemandem siebenmal am Tag Blutzucker messen muss und das Ganze auch noch zeitnah dokumentieren sollte, geht sich nicht immer alles aus. Da muss ich dann schon priorisieren“, erzählt die Pflegeassistentin. Und in den letzten Jahren habe sie das immer öfter machen müssen. Bedingt sei das mitunter durch den Umzug ihrer Station, Corona-Cluster unter den Mitarbeiter:innen oder auch Kündigungen gewesen. „Wenn man nur zu zweit für 26 Patienten zuständig ist, ist das ein Pflegenotstand“, betont sie. 

Dem Bild, das Angelika P. von ihrem Beruf eigentlich mal hatte, entspricht das alles nicht. „Auf einmal arbeitet man nur mehr nach dem Prinzip: warm, satt, sauber, passt. Das ist nicht meine Vorstellung von meinem Beruf. Wenn ich einem Patienten sagen muss, dass sich etwas nicht mehr ausgeht, ist mir das sehr unangenehm“, gesteht sie.

Wenn man dem Job nicht gerecht werden kann

Sabine Ruppert arbeitete fast drei Jahrzehnte lang in der Pflege und ist nun vor allem in der Ausbildung von Pflegekräften tätig. Das, was Angelika P. beschreibt, kennt sie nur zu gut. In Fachkreisen spreche man von Moral Distress. Der Begriff beschreibt das belastende und negative Gefühl, das Pflegekräfte empfinden, wenn sie ihre ethischen und moralischen Ansichten nicht aktiv in das Behandlungsgeschehen einbringen können, da die Arbeitsbedingungen oder strukturelle Rahmenbedingungen es nicht zulassen.

Auch die Entlohnung in Pflegeberufen ist immer wieder Thema. In den vergangenen Monaten kam es zu mehreren Streiks der Gesundheitsberufe, die die prekären Arbeitsbedingungen angeprangert haben. „Für die Verantwortung, die wir tragen, ist die Bezahlung absurd gering. Ich verdiene mit Diensten und Zuschüssen circa 2.000 Euro netto im Monat“, beklagt Angelika P. mit ernster Miene.

Auf die Frage, ob die Bezahlung in der Pflege zu gering für die erbrachte Leistung ist, rutscht Sabine Pleschberger, Pflegewissenschafterin an der Medizinischen Universität Wien, ein sarkastischer Lacher heraus. „Ist das nicht in allen traditionell weiblichen Berufen so?“, wirft sie anschließend nüchtern ein.

Christlich geprägte Moralvorstellung der Pflege

Im Jahr 2019 lag laut Statistik Austria der Frauenanteil in der Pflege in stationären Einrichtungen (z.B. Krankenhäusern oder Altenpflege) bei 84 Prozent, in der mobilen Betreuung und Pflege waren es sogar 91 Prozent. Laut einer Erhebung OECD aus dem Jahr 2019 ist jede fünfte Pflegekraft in Österreich zudem im Ausland geboren. Mit Fachkräften aus anderen Ländern erhofft man sich den Personalmangel auszugleichen. So wurde 2023 etwa ein Abkommen zwischen Wirtschaftskammer sowie Stadt Wien und der philippinischen Regierung zur Anwerbung philippinischer Pflegefachkräfte unterzeichnet. Geplant ist, bis 2027 jährlich rund 400 Filipinas und Filipinos über die Rot-Weiß-Rot-Karte zu holen. Dass Österreich ebenfalls mehr auf Rekrutierung im Inland setzten könnte, zeigen Zahlen der OECD über Ausbildungsabschlüsse in der Pflege im internationalen Vergleich. Demnach bildet Schweden beispielsweise pro 100.000 Einwohner:innen mehr diplomiertes Personal aus als Österreich Pflegepersonal insgesamt. Die Niederlande weisen im Pflegesektor sogar um 45 Prozent mehr Absolvent:innen auf als Österreich. 

Der gesellschaftliche Stand von Pflegeberufen spielt dabei auch eine wichtige Rolle. In der Forschung, so Pleschberger, unterscheide man zwischen den Bereichen „Care“, also dem Pflegen und Kümmern, sowie „Cure“, dem Heilen. „Der Care-Bereich hat seit jeher einen schlechteren Stand und gilt als unattraktiver. Berufe aus dem Cure-Bereich, wie zum Beispiel Ärzt:innen, wurden stets gesellschaftlich höher angesehen. Dabei gehört beides zusammen und ist essenziell für den Gesundheitsbereich. Ohne Care würde Cure nicht funktionieren“, erklärt sie.

Hier spiele auch eine historische Komponente der Pflege eine wichtige Rolle. „Denn die geht vor allem mit der Tradition der Ordensschwestern und somit einer christlich geprägten Moralvorstellung der Pflege einher“, erklärt Ruppert. Diese sehe, so betont es auch Pleschberger, die Pflege nicht als einen Beruf, sondern eine Berufung an – einer, der eben vor allem Frauen nachgehen, weil es ihrem vermeintlichen Naturell entspreche. „Dabei muss man einfach ganz klar sagen: Die Pflege ist ein moderner und anspruchsvoller Gesundheitsberuf, der erlernt werden muss.“

An Kampagnen und Slogans wie „Pflege mit Herz“ stößt sich Ruppert genau aus diesem Grund auch besonders. „Da wird dann vermittelt: Pflege kann eh jeder und jede machen. Auch wenn es heißt, Langzeitarbeitslose sollen einfach in die Pflege gehen, wird nicht mitbedacht, dass es sehr wohl gewisse Kompetenzen für diesen Beruf braucht, zum Beispiel eine empathische und offene Grundhaltung anderen Menschen gegenüber“, so Ruppert.

Ich liebe meinen Job trotz allem“

Pleschberger warnt allerdings davor, Pflege nur mit negativen Attributen zu konnotieren. „Pflege kann für viele Menschen sehr attraktiv sein. Es ist ein Job mit sehr vielen verschiedenen Arbeits- und Tätigkeitsfeldern. Auch selbständig in der Pflege zu arbeiten wird immer relevanter“, erklärt die Expertin. Dem stimmen sowohl Ruppert als auch Angelika P. zu. „Ich liebe meinen Job trotz allem, und mache ihn sehr gern. Man darf nicht vergessen, dass es ein irrsinnig schöner Beruf sein kann, bei dem man immer wieder viel zurückbekommt”, betont Angelika P.

Dass sie als Pflegekraft in Pension geht, kann sie sich dennoch nicht vorstellen. „Das schaffe ich glaube ich einfach nicht“, sagt Angelika P. Eine Um- bzw. Weiterbildung hat sie für die Zukunft schon eingeplant. „Ich brenne für meinen Job und ganz weg aus diesem Bereich möchte ich nicht. Aber auch wenn man sich ständig um andere kümmert, darf man nicht vergessen, dass in der Pflege ebenfalls Platz für ein Ich ist.“

Naz Küçüktekin ist freie Journalistin aus Wien. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich vor allem Gesellschaftsthemen, migrantischen Lebensrealitäten und sozialkritischen Ansätzen.

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Das ist die Zusammenfassung von einem Text über die schlechten Arbeits-Bedingungen von Pflegekräften. Die Journalistin Naz Küçüktekin hat den Text geschrieben.
In der Pflege gibt es viele Probleme: Es gibt zum Beispiel zu wenige Pflegekräfte. Eine Pflegekraft hat sehr viele Aufgaben und viel Stress. Manchmal schafft sie nicht alle Aufgaben. Darunter leiden die Patient:innen und die Pflegekräfte. Die Pflege-Assistentin Angelika P. sagt: „Wenn man nur zu zweit für 26 Patienten zuständig ist, ist das ein Pflegenotstand.“ 
Angelika P. hat früher Vollzeit gearbeitet. Das war ihr zu viel. Heute arbeitet sie 30 Stunden pro Woche. Dafür verdient sie 2.000 Euro pro Monat. Sie sagt: „Die Bezahlung ist absurd gering.“ Denn sie hat viel Verantwortung in ihrem Beruf.
In Pflege-Berufen arbeiten meistens Frauen. Berufe mit einem hohen Frauen-Anteil sind schlechter bezahlt als Berufe mit hohem Männer-Anteil. Manche Menschen glauben: Pflegekräfte sind nicht so wichtig wie zum Beispiel Ärzt:innen. Oder: Der Pflege-Beruf ist ein einfacher Beruf. Aber der Pflege-Beruf ist genauso anspruchsvoll wie andere Berufe im Gesundheits-Bereich. Und für die Gesundheit von Patient:innen sind alle diese Berufe wichtig.
Angelika P. liebt ihren Job trotz allem. Aber sie wird ihn nicht bis zur Pension machen können.

Bettina Enzenhofer hat diese Zusammenfassung geschrieben. Hast du Fragen zum Text? Schreib an die Redaktion: be(at)ourbodies.at

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