Gesundheit als politischer Kampf
Das Bundesfachnetz Gesundheit und Rassismus stellt sich vor. Von Sina Rahel Holzmair und Yasmin El Basbasse
Rassismus ist ein System, von dem die weiße Vorherrschaft auf verschiedenen Ebenen profitiert und wodurch sich weiße Menschen (im politischen Sinne) diese Vorherrschaft sichern, auch im Gesundheitswesen. Als Bundesfachnetz Gesundheit und Rassismus setzen wir uns dafür ein, diese Vorherrschaft und Machtstruktur zu dekonstruieren, sodass Schwarze, Indigene und People of Color (BIPoC) gleichberechtigten Zugang zum und Angebote im deutschen Gesundheitswesen erlangen. Wir sind ein bundesweiter Zusammenschluss von in Deutschland lebenden rassismuskritischen, anti-rassistischen und dekolonialen Schwarzen, Indigenen Expert*innen sowie Expert*innen of Colour aus dem Gesundheitsbereich und weiteren Fachgebieten. Unsere Arbeit ist ehrenamtlich und vom aktivistischen Charakter geprägt.
Eine BiPoC-Selbstorganisation?
Aber wie kam es eigentlich dazu? Im Oktober 2020 hielt die Ärztin Amma Yeboah einen Vortrag zur (De)Thematisierung von Rassismus in der Psychotherapie an der Empower-Mental Schule. Mariela Georg, die Gründerin der Empower-Mental Schule, schlug vor, einen Offenen Brief zu verfassen. In ihm sollte auf den Missstand der (De)Thematisierung von Rassismus in der Therapie aufmerksam gemacht werden. Ein erstes Treffen mit Personen, die dieses Vorhaben mittragen wollten, fand statt. Gemeinsam erarbeiteten wir einen Forderungskatalog an den Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus. Es entstand die Idee einer Arbeitsgruppe zum Thema Rassismus und Gesundheit. Diese Idee entwickelte sich weiter bis zur Gründung eines Bundesfachnetz Gesundheit und Rassismus.
Unser Ziel ist, auf den Missstand der Dethematisierung von Rassismus im deutschen Gesundheitswesen aufmerksam zu machen. Der Fokus auf die gesundheitlichen Folgen von Rassismus und die rassismussensible Behandlung sind längst überfällig.
Konkret möchten wir gemeinsam mit Expert*innen und der Unterstützung der Politik Projekte zur Beseitigung dieses Missstandes entwickeln. Zudem schaffen wir Vernetzungsmöglichkeiten für rassismussensible und -kritische Berufstätige und Forschende aus dem Gesundheitsbereich. Hierbei sind rassismussensible Aus- und Fortbildungsinhalte für Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind, besonders wichtig.
Unsere Plattform soll durch unsere Arbeit folgendes schaffen:
– Mängel im Bereich Rassismus und psychische/körperliche Gesundheit sichtbar machen
– den aktuellen Forschungsstand in die Öffentlichkeit tragen und diesen ergänzen
– eine Datenbank für Klient*innen auf der Suche nach rassismussensiblen Therapeut*innen, Stresscoaches und psychologischen Beratungsstellen zur Verfügung stellen und mitentwickeln
– Initiativen, Organisationen, Projekte und Expert*innen aus dem Bereichen Rassismus, psychische Gesundheit und Medizin vernetzen
– für die Sichtbarkeit vorhandener Angebote sorgen und diese bündeln, sowie Informationen zu Veranstaltungen, Fortbildungen und Qualifizierungen bieten.
Wir wollen unsere Arbeit möglichst niedrigschwellig, d.h. inklusiv gestalten, sodass sich Menschen mit allen sozialen Hintergründen ohne Hemmnisse einbringen können. Wir bemühen uns um eine niederschwellige, respektvolle und wertschätzende Sprache, Begriffserklärungen und inklusive Arbeitsweise. Wir wollen vermeiden über und für Menschen und deren Diskriminierungserfahrungen zu sprechen, ohne diese tatsächlich mit einzubeziehen. Gleichzeitig wollen wir unsere Position, Privilegien (Zugang zu Netzwerken etc.) und Plattformen nutzen, um die Stimmen von weniger Privilegierten, von Rassismus und Diskriminierung Betroffenen, die im Mehrheitsdiskurs kaum gehört werden, zu stärken. Unsere Angebote und Projekte sollen möglichst für viele BiPoC sichtbar und erreichbar sein, weshalb wir bundesweit agieren und vernetzen.
Aktuell arbeiten wir an diesen Projekten:
– Therapiegruppe für BiPoC mit Tülay Ataç (approbierte psychologische Psychotherapeutin in Verhaltenstherapie)
– eine bundesweite Erweiterung mit ähnlichen (Online-)Angeboten insbesondere für den Berliner Raum (via einer kooperierenden Arztpraxis in Berlin) ist in Planung für Mitte/Ende 2022
– Petition: Diskriminierte Gruppen brauchen besseren Schutz vor einer Corona-Infektion (diese Petition wurde von den neuen deutschen Organisationen initiiert und wird von uns sowie von Black in Medicine mitgetragen)
– Vereinsgründung: Wir möchten unsere Strukturen stärken, um eine professionelle Anlaufstelle für betroffene Menschen in Deutschland bieten zu können
Wir wünschen uns, eine langfristige Anlaufstelle für BiPoC zu sein und ein vielfältiges Angebot zu sammeln, aber auch eigenständig zu schaffen. Wir möchten mit Empowerment-Ansätzen und den Communities einen neuen Diskurs in Deutschland mitbestimmen und nachhaltig die Situation rund um Gesundheit und Medizin für BiPoC verbessern!
Sina Rahel Holzmair und Yasmin El Basbasse sind aktiv im Bundesfachnetz Gesundheit und Rassismus.