Masturbation – Solosex als Selbstermächtigung

Selbstbefriedigung und Selbstberührung als Selbstliebe-Praxis. Von Sara Ablinger

auf einer Hauswand steht dreimal das Wort "love" in jeweils unterschiedlichen Farben - gelb, rosa und hellgrau
Artist: unbekannt, Foto: Christine Weidhofer

Selbstbefriedigung kann vieles, aber muss nichts erfüllen. Selbstbefriedigung ist nur für dich selbst da – zu deinem puren Vergnügen, zum Kennenlernen deiner ganz individuellen Pleasure Map, zum Druckabbau, zur Entspannung, zum Einschlafen, zur Stimmungsaufhellung, zum Trost und so vieles mehr. Solosex ist nur zwischen dir und dir. Wenn er dir nichts gibt und du lieber ganz drauf verzichtest, ist das auch voll okay. 

Selbstbefriedigung hat neben all den vorher genannten Aspekten immer auch etwas mit Selbstverantwortung zu tun. Du bist dein*e erste*r Sexpartner*in und für die Erfüllung deiner Bedürfnisse selbst verantwortlich. Du brauchst kein Gegenüber, das dich vervollständigt. Mit Selbstbefriedigung lernst du deinen Körper und deine ganz persönliche Landkarte der Lust kennen: Du findest heraus, was sich gut anfühlt und was nicht, welche Stellen empfindsamer sind als andere, ob Sex überhaupt dein Ding ist. Du musst keinen Sex haben, um sexuell empowered zu sein. Ermächtigt zu sein heißt, dass du deine Sexualität so gestaltest, wie es sich für dich stimmig und richtig anfühlt. Solosex ist ein für sich stehender Teil der eigenen Sexualität, nicht nur die billige Quickie-Variante, wenn grad kein*e Sex- partner*in in der Nähe ist. 

»Masturbation is a meditation on self-love. So many of us are afflicted with self-loathing, bad body images, shame about our body functions, and confusion about sex and pleasure, I recommend an intense love affair with yourself.« 

Für mich ist Selbstberührung und Selbstbefriedigung, so wie Betty Dodson es oben formuliert hat, eine Selbstliebe-Praxis. Solosex verstehe ich auch nicht nur als Prozess, schnell zum Orgasmus zu kommen, sondern als Möglichkeit grundlegender Aufmerksamkeit und Selbstwertschätzung – ohne die Wertung und Erwartung, es müsse jedes Mal ein höchst ekstatisches, orgastisches Erlebnis sein. Alles kann, nichts muss. Solosex ist ein Tool, meinen Körper als dicke, queere Femme (und auch mein Begehren) wertzuschätzen, genau so wie er ist. Wenn ich in Verbindung mit mir selbst und meiner Lust bin, denke ich nicht an mein Gewicht oder meine Körperbehaarung oder andere Projektionsflächen meines Selbsthasses, die aus meiner Sozialisation und schmerzhaften Erfahrungen entstanden sind. Ich erkenne in der Begegnung mit mir selbst, dass ich Macht über meinen Körper, meine Lust und meinen Schmerz habe.

Power-Move

Und das ist besonders für queere Menschen und Menschen, die gängigen Schönheitsbildern nicht entsprechen, wichtig und macht Solosex so ermächtigend. Egal, wie sehr dir das Außen vermittelt, dass du und dein Begehren nicht den Normen entsprechen, dass du vielleicht sogar nicht begehrenswert seist, dass du es nicht wert seist, ja, selbst wenn du dir all das selbst sagst: Dein Körper sagt dir etwas anderes. Dein Körper freut sich über für dich wohlige Berührungen, egal ob sinnlich, sexuell oder vielleicht sogar kinky. Dein Körper schüttet dabei (egal, ob du oder andere dich berühren) die Happy- und Bindungshormone Oxytocin und Dopamin aus, die dich unterstützen, Stresshormone, Angst und Anspannung im Körper abzubauen. In dieser Begegnung mit dir selbst ist es nicht wichtig, wie dein Körper oder deine Genitalien aussehen. Wenn wir uns (wenn möglich wert- und erwartungsfrei) selbst berühren, ist die Sprache des Körpers die einzige relevante Wahrheit. Für viele Menschen, die von Gewalt betroffen/gefährdet und mit dem Gefühl vertraut sind, mit dem eigenen Körper nicht sicher zu sein, kann der Körper so wieder als sicheres Zuhause erlebbar werden. Welcome home, you! Nichts ist mächtiger als das.

Dieser Text erschien zuerst in The Gap März 2020.

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