Meine Diagnosen und ich

Rheuma, Raynaud, Lupus. Wie ist es, wenn die Klinik deinen Körper kategorisieren will? Ein literarischer Beitrag von Paula M. Mangold

Porträtfoto der Autorin Paula M. Mangold, die eines ihrer Bücher in die Kamera hält. Sie hat braune, schulterlange Haare, trägt ein schwarzes Oberteil und blaue Jeans und lacht in die Kamera.
Paula M. Mangold, Foto: privat

Inhalt in Einfacher Sprache

Das ist ein persönlicher, literarischer Text von der Schriftstellerin Paula M. Mangold. Sie hat viele Krankheiten.
Im Text schreibt die Autorin, dass sie anders ist als ihr kranker Körper. Zum Beispiel: Sie ist quirlig. Aber ihr Körper hat manchmal keine Energie und kann sich dann nicht bewegen. Oder: Sie ist selbstständig. Aber ihr Körper braucht Hilfe. Ihr Körper passt nicht zu ihrem Selbstbild. Und er macht ihre Zukunftsträume kaputt.
Ärzt*innen wollen den Körper von Paula M. Mangold in eine Kategorie einordnen. Sie geben der Autorin verschiedene Diagnosen. Aber keine Diagnose passt wirklich. Die Autorin hat das Gefühl, dass Ärzt*innen ihren Körper nicht verstehen. 
Die Sprache der Ärzt*innen verändert die Beziehung, die Paula M. Mangold zu ihrem Körper hat. Sie versteht ihren Körper auch nicht mehr. Sie schreibt: „Vielleicht brauche ich deshalb jemanden, der ihn mir übersetzt.“ Aber auch die Ärzt*innen scheitern an einer Übersetzung. Sie sind genauso hilflos wie die Autorin.
Paula M. Mangold würde gern über ihr Leben selbst bestimmen und ihrem Körper nicht so viel Macht geben. Aber das lässt ihr Körper nicht zu.

Bettina Enzenhofer hat diese Zusammenfassung geschrieben. Hast du Fragen zum Text? Schreib an die Redaktion: be(at)ourbodies.at

(M)ein Körper.

Ich bin zielstrebig. 

Er humpelt. 

Ich bin quirlig. 

Er kann sich manchmal vor Energielosigkeit nicht einmal bewegen.

Ich bin stark und präsent.

Er nur, wenn er vor Schmerzen schreit. 

Ich bin selbständig, unabhängig.

Er braucht Hilfe.

Vielleicht brauche ich deshalb jemanden, der ihn mir übersetzt. 

Weil er nicht mehr zu mir gehört.

Dafür ist er zu anders.

Ich will ihn nicht mehr.

Denn mit ihm an meiner Seite verpuffen meine Zukunftsträume und mein Selbstbild in Schall und Rauch.

Leute verstehen das nicht.

Sie hören Geschichten über ihnseine Leiden, seine Abnormalitäten, und denken, jetzt kennen sie mich.

Darum Fragen wie „Also bist du schwach?“, „Muss ich dann auf dich aufpassen?“

Nein.

Ich bin eine Frau, die dir mit ihrem linken Haken den Sternenhimmel vor die Augen zaubern könnte.

Das Problem ist er.

Er ist es, der mich im Stich lässt.

Er ist es, der beschlossen hat einen anderen Weg zu gehen.

Sich von mir zu distanzieren. 

Er ist mir fremd geworden.

Also muss ich ihn neu kennenlernen. 

Wobei mir die Klinik anscheinend helfen will.

Mehr schlecht als recht.

Mit einer dynamischen Produktbeschreibung.

Schlussendlich muss man mit unserer schnelllebigen Gesellschaft mithalten.

Das Problem nur? 

Er will in keine Norm passen.

Langweilig wird es also nie.

Er wird mir neu vorgestellt.

Autoimmunerkrankung.

(Übersetzung: der Zustand, wenn der Körper falsch gepolt ist. Wenn er gegen sich selbst kämpft. Und dich angreift.)

Rheuma.

Raynaud.

Systemischer Lupus Erythematodes.

Sjögren.

Undifferenzierte Kollagenose.

(Was nur eine fancy Art und Weise der Klinik ist, zu sagen, dass sie keine Ahnung hat. Dass sie keine vordefinierte Kategorie findet, in der er sich niederlassen will).

Und da sagt man noch, wir Frauen könnten uns nicht entscheiden.

Er hat mehr Stempel als Haut.

Objektivierung mal anders.

Gerechtfertigt, würden manche sagen.

Schlussendlich muss man ja auf körperliche Einschränkungen Rücksicht nehmen.

Er ist halt das schwache Geschlecht.

Er braucht halt seinen Schönheitsschlaf. 

Und wehleidig ist er obendrein auch noch.

Vielleicht pushe ich ihn deshalb an seine Limits.

Vielleicht höre ich ihm deshalb nicht zu.

Vielleicht ignoriere ich deshalb seine Schreie.

Schlussendlich weiß ich es besser.

Und er wollte es sicherlich so.

Außerdem ist er einfach ein bisschen zu kompliziert für meinen Geschmack. 

Zu kompliziert, um in die Schachtel einer Diagnose zu passen. 

Aber mich soll es nicht kümmern, schlussendlich habe ich nicht mehr die Verantwortung für ihn.

Wie könnte ich auch – ich bin nicht professionalisiert. 

Andere haben sich seiner angenommen.

Seitdem verstehe ich ihn nicht einmal mehr.

Wir sprechen nicht mehr dieselbe Sprache.

Außer vielleicht, wenn ich seine Produktbeschreibung vorlese.

Für alles, was darüber hinausgeht, hat er eine eigene Stimme.

Die in seiner Welt mehr Gehör findet – notwendig ist, um verstanden zu werden.

Denn er spricht in Zahlen. 

Wie schauen die Entzündungswerte aus? 

Haben sich die Lymphozyten wieder erholt?

Ansonsten irgendwelche Auffälligkeiten? 

Er ist eine Quasselstrippe. 

Spuckt so viele rote, normabweichende Zahlen aus, dass ich kein Wort dazwischen bekomme. 

Das Klinikpersonal tut so, als würde es die gleiche Sprache sprechen. 

Nickt verständnisvoll. 

Tippt fleißig mit. 

Spuckt Fremdwörter aus. 

Ist aber am Ende, trotz der ganzen Prätention, gleich verwirrt wie ich.

Schlussendlich wollten sie doch nur eine einfache Antwort.

Etwas Ordnung und Rationalität.

Lupus? Ja oder nein.

Sjögren? Ja oder nein.

Ist doch ganz einfach.

Er sagt: Jein.

Ich nicke dem Klinikpersonal mitfühlend zu.

Ja, eine Übersetzerin bräuchte es.

Blöd nur, dass die einzige Übersetzerin, die im Klinikgebäude zugelassen ist, auf Urlaub ist.

Vielleicht schickt die Diagnose ja irgendwann eine Postkarte aus ihrem Bungalow.

Aber bis dahin? 

Sind wir beide hilflos aufgeschmissen und resigniert – die Klinik und ich. 

Und der Körper? 

Er kreischt vor Schmerzen, bäumt sich auf, kratzt wie wild um sich und kollabiert.

Während er schreit: Warum hört ihr nicht einfach richtig zu?

Ich schüttle den Kopf.

Er ist ein Körper. Was hat der schon zu sagen?

Ich stehe auf und will weggehen. 

Aber der Körper krallt sich an mir fest. 

Und zieht mich gen Boden. 

Paula M. Mangold ist Studentin der Kultur- und Sozialanthropologie und Politikwissenschaft, sowie passionierte Schreiberin. Im Alter von elf Jahren setzte sie sich an ihr erstes literarisches Werk und noch in ihren Jugendjahren folgten fünf weitere Manuskripte, von denen sie drei selbst veröffentlichte. Mit ihrem letzten Projekt wagte sie sich erstmals aus dem Genre der Jugendliteratur heraus, um mithilfe der Prosa ihre persönliche Krankheitsgeschichte aufzuarbeiten und sich kritisch mit der Thematik auseinanderzusetzen.

Inhalt in Einfacher Sprache

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